Kommentar: Brüssel sollte seine Macht gegenüber China nicht unterschätzen


Die anhaltende Wachstumsschwäche der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sorgt dafür, dass Unternehmenslenker in Europa endlich ihre rosarote China-Brille ablegen. Geblendet von zweistelligen Wachstumszahlen sahen sie jahrelang über alle Schikanen für ausländische Firmen hinweg.
Sie nahmen den erzwungenen Wissenstransfer und staatliche Vorgaben zur lokalen Produktion hin, im überheblichen Irrglauben, den Chinesen immer einen Technologieschritt voraus zu sein. Auch dank dieser Art von Entwicklungshilfe machen ihnen nun die chinesischen Wettbewerber nicht nur in China selbst Konkurrenz, sondern zunehmend auch auf den Heimatmärkten.
» Lesen Sie auch: Land am „Wendepunkt“: Europäische Unternehmen verlieren Geduld mit China
Die fetten Jahre sind vorbei, die Gewinne im Chinageschäft schrumpfen. Umso lauter werden die Rufe aus Berlin und Brüssel nach faireren Wettbewerbsbedingungen. Die europäische Handelskammer in China hat gerade mehr als 1000 Vorschläge vorgelegt, um die Geschäftsbedingungen für EU-Firmen in der Volksrepublik zu verbessern.
Die EU muss endlich priorisieren
Hauptkritikpunkte sind das stark politisierte Geschäftsumfeld, der Fokus der Staatsführung auf nationale Sicherheit und wirtschaftliche Eigenständigkeit, der schwache Binnenkonsum, wachsende Überkapazitäten sowie anhaltende Nachteile bei Marktzugang und Regulierung.
Bislang sind derartige Forderungen weitgehend folgenlos verhallt. Für einige Firmen „überwiegen die Risiken von Investitionen in China bereits jetzt die Erträge“, warnt deshalb der Präsident der europäischen Handelskammer in China, Jens Eskelund.
Doch Brüssel sollte seine Verhandlungsmacht nicht unterschätzen. Je mehr die USA ihren Markt abschotten, desto mehr ist China auf den europäischen Absatzmarkt angewiesen.
Das gilt umso mehr, als der chinesische Binnenkonsum schwächelt. Trotz der fehlenden inländischen Nachfrage setzt die Staatsführung unbeirrt auf eine Ausweitung der Produktion als Wachstumstreiber – und auf den Export der Überkapazitäten.


Höchste Zeit also, um mit Peking ernsthaft über faire Wettbewerbsbedingungen in China und Europa zu verhandeln. Dabei reicht es nicht, sich gegen E-Auto-Exporte aus China mit Zöllen zu wehren. Die EU braucht einen Plan, welche strategischen Industrien sie wie schützen will.
Erst dann kann sie auf Augenhöhe mit Chinas Staatsführung verhandeln. Dabei können die Europäer durchaus von Peking lernen, etwa den Marktzugang an Vorgaben zur lokalen Fertigung zu binden. Das wäre eine Sprache, die die Staatsführung versteht.
Mehr: Albtraumstatistiken für jeden Makler – Chinas Immobilienwirtschaft in der Krise





