Kommentar: Warum sich Unternehmer dem Protest gegen die AfD anschließen sollten

Für viele brauchte es die Deportationsfantasien von Rechtsextremen und AfD-Politikern, um den Ernst der Lage zu begreifen. Zehntausende von Bürgerinnen und Bürgern gehen seit Tagen auf die Straße. Sie fürchten die Gedankenwelt, die sich hinter dem Unwort des Jahres „Remigration“ verbirgt.
Die AfD will Millionen „nicht assimilierter Staatsbürger“ mit Migrationshintergrund loswerden und in afrikanische Länder ausweisen. Das macht fassungslos. Die Zivilgesellschaft signalisiert mit ihrem Protest, dass sie bereit ist, Demokratie und Rechtsstaat gegen ihre Feinde zu verteidigen. Eine starke Antwort.
SPD-Chef Lars Klingbeil hat alle „Vernünftigen“ aufgerufen, die bisher noch leise waren, laut zu werden. Vermutlich meint er damit auch die rund drei Millionen Firmenchefs und Manager im Land. Gerade im Mittelstand und Handwerk hören die Mitarbeiter genau hin, was der Chef oder die Chefin sagt. Auch die vielen Beschäftigten mit Migrationsgeschichte würden sicher gern wissen, was ihre Bosse von den Abschiebefantasien halten.
Aber ist es wirklich die Aufgabe von Wirtschaftsvertretern, die AfD zu demaskieren? Sie sind nicht schuld am AfD-Hoch. Die Verantwortung liegt vor allem bei der Regierung. Würde Deutschland besser regiert, hätten es Populisten schwerer, bei den Bürgern zu punkten.
Als vor Kurzem Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Unternehmer aufforderte, Flagge zu zeigen, reagierten einige von ihnen verständlicherweise mit Unmut: Vielleicht einfach mal besser regieren, als andere die Arbeit machen zu lassen. Im Moment halten der Mittelstand und die breite Mitte der Gesellschaft den Laden zusammen. Trotz der unsicheren Stimmung im Land machen sie pragmatisch weiter.
Die Wirtschaft bricht allmählich ihr Schweigen
Es ist auch nicht so, dass die Wirtschaft so strikt schweigt, wie es noch vor einiger Zeit der Fall war. Es gibt immer mehr Unternehmer und bereits einige CEOs wie Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, die sich in die Öffentlichkeit wagen. Meist nennen sie die AfD nicht beim Namen. Wählerbeschimpfung bringe nichts, lautet ein Argument. Auch die Verbände melden sich entschieden zu Wort, allen voran die Familienunternehmer. Und Unternehmer, die die AfD ideell und finanziell unterstützen, sind bislang Einzelfälle.
Aber viele fühlen sich wie zwischen Baum und Borke. Für Manager, Mittelständler und Handwerker steht viel Geld auf dem Spiel, wenn sie wegen politischen Engagements Kunden verlieren. Auch AfD-Wähler fahren Autos und tragen Sportschuhe. Viele Investoren und Aktionäre sehen politisches Engagement generell nicht gern. Das Geschäft geht vor.
Vielleicht ist aber etlichen Unternehmern gar nicht bewusst, welche brandgefährliche Mischung in Deutschland gerade entsteht. Die AfD ist nicht mehr die eurokritische Partei, als die sie gegründet wurde. In der AfD haben längst viele Rechtsextreme das Sagen.
Gefahr für den Wohlstand
Zwei Argumente aber sollten zum Nachdenken anregen. Zum einen würde Deutschland ohne all die ausländischen Fachkräfte, auf die es die AfD abgesehen hat, gar nicht mehr funktionieren. Das gilt für die Gastronomie, das Gesundheitswesen, die Arbeit in den Fabrikhallen und viele weitere Bereiche.
Zum anderen ist das AfD-Programm eine Gefahr für den Wohlstand. Es kommt wirtschaftsliberal daher. Doch wer rechnen kann, merkt schnell: EU-Feindlichkeit und Nationalismus wären für die Exportnation Deutschland ein Draufzahlgeschäft.
Die Soziale Marktwirtschaft steht auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Bekommt dieses Fundament Risse, wankt das gesamte Wirtschaftsmodell.