Essay: Polarisierung, Aggression und Hysterisierung – über ein Land, das seine Debattenkultur verlor

Insbesondere Themen wie die Coronakrise werden in Talkshows der Republik besprochen.
Wirtschaftlich gesehen, nach den Gesetzen des Marktes, ist der Schauspieler Jan Josef Liefers ein Garant für „Wertschöpfung“. Einer, der in der Rolle eines schrägen Pathologieprofessors im „Tatort“ aus Münster sonntagabends 14 Millionen TV-Zuschauer lockt.
Einer, der als Werbefigur für Unternehmungen wie die Lotterie SKL, Toyota, Ferrero und die Modemarke Gardeur den Verkauf von Produkten angekurbelt hat. Neu aber ist, dass Liefers in einer sich drastisch verändernden Republik auch als Zentralfigur moralphilosophischer Wertedebatten wirkt – und zwar zur großen Frage, wohin unsere Gesellschaft gekommen ist und wohin sie wohl noch treibt.
Zu diesem Rollenwechsel kam es, nachdem Liefers zusammen mit 52 anderen Schauspielern, die man großteils aus dem „Tatort“ kennt, in der Kampagne #allesdichtmachen die deutsche Corona-Politik so stark ironisierte, dass prompt vom rechten Flügel des politischen Theaters Applaus aufbrandete, woraufhin 20 der Aktivisten wirklich dichtmachten und ihre jeweiligen Kurzvideos zurückzogen. Damit war die Kultur-Riege auf einmal aus den schmalen Spalten der Fernsehkritik in die breiten Aufmacher der Feuilletons gerutscht.





