Geoeconomics: Für das Trump-Team spielt Europa keine große Rolle mehr

Bei meinem Besuch in Washington in der letzten Woche habe ich folgende Sätze gehört: „Biden wird nicht der letzte Transatlantiker gewesen sein“, „Es ist nicht im amerikanischen Interesse, aus Europa abzuziehen“ und „Wenn die USA die Ukraine preisgeben, schwächt das ihre Macht im Indopazifik“. Diese Sätze stammen wohlgemerkt nicht von Amerikanern, die der künftigen Trump-Administration nahestehen – oder die versuchen, deren Denkweise nachzuvollziehen.
Vielmehr sind diese Sätze im Gespräch mit Vertretern europäischer Regierungen und Thinktanks gefallen, die ebenso wie ich in D.C. an verschiedenen Diskussionsrunden mit amerikanischen Gegenübern teilgenommen hatten, um besser zu verstehen, was „Trump II“ für Europa bedeuten wird.
Für mich sind diese Sätze Ausdruck eines gefährlichen Wunschdenkens. Damit kein Missverständnis entsteht: Auch ich glaube, dass Amerika große Vorteile aus seiner militärischen Präsenz in Europa zieht und dass die Sicherheit des Indopazifiks eng mit der Sicherheit Europas verbunden ist. Entscheidend ist jedoch, dass eine wachsende Zahl Republikaner daran erhebliche Zweifel hat.
Drei Denkschulen unter den Republikanern
Sicherlich ist die Republikanische Partei außenpolitisch kein monolithischer Block. Meine Kollegen Majda Ruge und Jeremy Shapiro haben drei Denkschulen innerhalb der Partei identifiziert: Primacists, Prioritizers und Restrainers.
Die Primacists wollen die globale Führungsrolle der USA weiter aufrechterhalten. Sie sehen Amerikas Engagement in der Nato und die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine als strategisches Interesse Amerikas. Leider hat Trump ihre Vertreter bei der Postenvergabe explizit ausgeschlossen. Marco Rubio, der zukünftige Außenminister, und Mike Waltz, der zukünftige nationale Sicherheitsberater, teilen zwar immer noch einige Grundreflexe der Primacists, haben sich aber in wesentlichen Punkten den Prioritizers und Restrainers angeschlossen.
Diese argumentieren, dass Europa nicht mehr der zentrale strategische Schauplatz für die USA ist, und drängen darauf, die finanziellen und militärischen Ressourcen auf den Indopazifik (und auf die „Heimatfront“, insbesondere die Sicherung der Grenze zu Mexiko) zu konzentrieren. J. D. Vance, der designierte amerikanische Vizepräsident, und Richard Grenell, Trumps Beauftragter für außenpolitische „Spezialmissionen“, gehören zu dieser Gruppe.
In meinen Gesprächen in D.C. wurde deutlich, dass Trump gern Vertreter unterschiedlicher Meinungen (jemand nannte sie „team of rivals“) versammelt, ihnen zuhört und sich dann ein abschließendes Urteil bildet. Doch selbst mit Marco Rubio auf der einen und J. D. Vance auf der anderen Seite erscheinen mir drei Dinge klar:
Erstens ist das zugrunde liegende Motiv der künftigen Trump-Administration nicht mehr das des „unipolaren Moments“ der 1990er- und frühen 2000er-Jahre. Die Wahrnehmung ist, dass die US-Ressourcen und die Möglichkeiten der Machtprojektion begrenzt sind. Die Trump-Administration muss daher Zielkonflikte akzeptieren und Prioritäten setzen.
China wird als einziger Akteur gesehen, der die Absicht und die Mittel hat, den Status der USA zu bedrohen. Die Eindämmung und Abschreckung Russlands in Europa gilt demgegenüber als notfalls verzichtbar. Die Hilfe für die Ukraine geht zulasten des Indopazifiks. Die Europäer sollten daher davon ausgehen, dass amerikanische Streitkräfte und kritische Fähigkeiten aus Europa abgezogen werden und sie selbst die entstehenden Lücken füllen müssen.
Zweitens herrscht im Trump-Team der unbedingte Wille, dem zukünftigen Präsidenten zu einem Deal zu verhelfen, der Russlands Krieg gegen die Ukraine beendet oder zumindest einfriert. Dabei wird die Tatsache, dass es in der Ukraine gar keine stabile Frontlinie gibt, sondern dass Russland weiter voranschreitet und so wahrscheinlich gar keine Bereitschaft zu Kompromissen zeigen wird, geflissentlich übersehen. Es scheint, als sei es oberste Priorität, dass Trump einen Deal präsentieren kann, dessen Inhalt ist demgegenüber sekundär.
Europa darf nicht außen vor bleiben
In dieser Situation ist es im europäischen Interesse, möglichst viele Mittel der Einflussnahme auf die Verhandlungen zu haben und zumindest mit am Tisch zu sitzen, damit Trump nicht mit Putin über europäische Köpfe hinweg maßgebliche Fragen europäischer Sicherheit aushandelt. Europäische Beiträge zur weiteren Unterstützung der Ukraine und zur Bereitstellung von Sicherheitsgarantien sind hier zentral.






Drittens verschiebt sich in D.C. gerade der transatlantische Konsens auch innerhalb der Demokraten. Sollte 2029 wieder ein Präsident aus ihren Reihen die Macht übernehmen, wird er sicherlich den Europäern nicht sagen „Amerika ist zurück“.






