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GeoeconomicsWaffenstillstand, aber wer sichert ab?

Falls es zu einem Waffenstillstand in der Ukraine kommen sollte, braucht es eine glaubwürdige Absicherung, um den nächsten Krieg zu verhindern. Aber wer macht’s?Claudia Major 13.12.2024 - 09:50 Uhr Artikel anhören
Claudia Major ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Foto: Klawe Rzeczy, Getty, PR

Momentan deutet nichts darauf hin, dass Russland den Krieg in der Ukraine beenden will. Warum Kompromisse, wenn man gewinnen kann – so scheint das russische Leitmotiv zu sein. Bislang verweigert Moskau ernsthafte Verhandlungen, und es ist unklar, warum es sich mit US-Präsident Trump darauf einlassen sollte.

Putin gibt sich zwar offen für Gespräche, aber nur mit seinen Vorbedingungen (die einer Kapitulation der Ukraine gleichkämen). Ernsthaften Verhandlungswillen, demonstriert etwa durch einen Stopp der Kämpfe, zeigt er nicht.

Sollte es doch zu einem Waffenstillstand kommen, muss geklärt werden, wie dieser durchgesetzt und wie Russland vor weiteren Angriffen abgeschreckt werden kann. Denn solange Moskau an seinen Zielen festhält und eine unabhängige Ukraine ablehnt, und solange es die Mittel hat – von Soldaten bis zur Ausrüstung –, diese Ziele zu verfolgen, ist die Ukraine bedroht. Kampfpausen sind dann Regenerationspausen für Russlands Streitkräfte.

Die Zeit 2014 bis 2022 war so gesehen ein (mehrfach gebrochener) Waffenstillstand, den Moskau nutzte, um seine Ausgangsposition zu verbessern. Die Minsker Abkommen lehren, dass ein Waffenstillstand glaubwürdig und robust abgesichert werden muss, wenn die politischen Ursachen für den Konflikt fortbestehen.

Aus Sicht der Ukraine ist nur ein Nato-Beitritt eine glaubhafte Absicherung. Der ist zwar politisch zugesagt, aber derzeit unrealistisch. Nicht nur, weil der Beitritt eines Landes, von dem ca. 20 Prozent besetzt sind, große Risiken birgt, sondern vor allem, weil der wichtigste Alliierte, USA, mauert.

2300
Kilometer
lang ist die Grenze zwischen der Ukraine und Russland

Was tun also? Die Grenze zwischen der Ukraine und Russland ist ca. 2300 Kilometer lang, die zu Belarus ca. 1100 Kilometer. Die Front ist ca. 900 Kilometer lang. Mehr als 600.000 russische Soldaten sind im Einsatz. Wie könnte ein glaubwürdiges Modell aussehen, das einen Waffenstillstand durchsetzen und Russland abschrecken kann?

Keine Inspiration durch frühere Waffenstillstände

Die ukrainischen Streitkräfte würden den Hauptbeitrag leisten. Technische Mittel wie Drohnen und Minen können unterstützen. Eine demilitarisierte Zone, Begrenzungen für die Größe der Streitkräfte in einem definierten Gebiet und Verifikationsmechanismen werden diskutiert. Die Beteiligung westlicher Streitkräfte würde die Glaubwürdigkeit erhöhen. Schließlich ist fraglich, ob man eine Nuklearmacht rein konventionell abschrecken kann.

Frühere Einsätze bieten allerdings kaum Inspiration. Der KFOR-Einsatz im knapp 11.000 Quadratkilometer großen Kosovo (etwa die Fläche von Hessen) begann 1999 mit 48.000 Soldaten. Die Ukraine ist aber mit 603.628 Quadratkilometern fast 55 mal so groß.

Für den Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea übernahmen die USA 1953 die Rolle des Garanten. Sie stationierten dort Soldaten und bis 1991 Atomwaffen. Wer Südkorea angreift, so die Botschaft, hat es mit den USA zu tun. Die 249 Kilometer lange Waffenstillstandslinie hält. Aber noch immer sind fast 30.000 US-Soldaten dort.

Friedenssicherung

Schicken Frankreich und Polen nach dem Krieg Friedenstruppen in die Ukraine?

Eine schnelle Kopfrechnung zeigt, dass diese Fälle kaum übertragbar sind. Sicher ist: eine Stationierung mit dem Ziel Abschreckung von Russland muss nicht nur Truppenzahlen bedenken, sondern auch Unterkunft, Versorgungslinien, Ausstattung (von Führungssystemen bis Luftverteidigung) und Verstärkung – was unrealistisch ist angesichts der begrenzten Kapazitäten der europäischen Streitkräfte und der Perspektive, dass die USA weniger machen wollen. Und Russland kaum Nato-Truppen an seiner Grenze akzeptieren würde.

Die Option, VN-Blauhelme mit einem robusten Mandat einzusetzen, ist auch wenig aussichtsreich. Nicht nur müsste Russland als betroffener Staat und Mitglied des Sicherheitsrates zustimmen. Auch hier stellt sich die Frage der Verfügbarkeit von Truppen (und deren Glaubwürdigkeit).

Viele ungeklärte Fragen für die Nato

Sollten sich die Nato-Staaten für einen Einsatz entscheiden, ständen sie vor Zielkonflikten. Wäre die Stationierung von europäischen Nato-Truppen (plus Kanada) als eine Art „Vorneverteidigung“ angelehnt an die Allianz-Doktrin der 1950er-Jahre denkbar? Aber die meisten Streitkräfte sind für Nato-Pläne verpflichtet.

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Nimmt man sie dort raus, um sie in der Ukraine einzusetzen? Schwächt man so die Nato-Grenze und geht Risiken ein, um die Ukraine, einen nicht-Nato Staat, zu sichern? Lädt man mit einer solchen Schwächung das Russland, das man in der Ukraine abschreckt, zu Angriffen an anderer Stelle ein? Oder müssten zusätzliche Truppen bereitgestellt werden, für die es aber weder gesellschaftliche Unterstützung noch Finanzierung gibt? Und wie reagiert man auf russische Eskalation?

Andererseits liegt es im Interesse der Europäer, dass Russland nicht weiter Grenzen verschiebt. Am realistischsten scheint aktuell, die Ukraine so aufzurüsten, dass sie Russland abschrecken kann, und sie dabei mit Koalitionen der Willigen in kreativen Modellen zu unterstützen. Ein Waffenstillstand bedeutet also nicht weniger Verteidigungsinvestitionen, sondern anders, langfristig und mehr.

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