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Kommentar Bidens Steuerpläne sind ökonomisch richtig, politisch aber riskant

Der US-Präsident plant nach 100 Tagen im Amt seinen dritten Streich und will vor allem den Familien finanziell helfen. Zahlen sollen dafür die Reichen.
28.04.2021 - 16:24 Uhr Kommentieren
Der US-Präsident bei einer Rede in Pittsburgh. Quelle: Reuters
Joe Biden

Der US-Präsident bei einer Rede in Pittsburgh.

(Foto: Reuters)

Joe Biden gönnt sich keine Atempause. Statt die ansehnliche Bilanz seiner ersten 100 Tage als US-Präsident mit einer Rede vor beiden Kammern des Kongresses zu feiern, nutzt er den Auftritt, um ein 1,8 Billionen Dollar schweres Sozialpaket aus neuen Staatsausgaben und Steuererleichterungen für Familien vorzustellen.

Nach den bereits verabschiedeten 1,9 Billionen Dollar Konjunkturhilfen und den geplanten 2,3 Billionen Dollar für die Modernisierung der amerikanischen Infrastruktur wäre das der dritte Streich des Demokraten. Bezahlen sollen das vor allem Unternehmen und die reichen Amerikaner. Das ist ökonomisch richtig, aber politisch nicht ohne Risiko.

Insgesamt nimmt Biden sechs Billionen Dollar oder 28,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Hand, um Amerika nach seinen Vorstellungen umzubauen. Das hat es seit dem „New Deal“ von Franklin D. Roosevelt in den 1930er-Jahren der Weltwirtschaftskrise nicht mehr gegeben. Mehr Geld will Biden zum Beispiel für Kinderbetreuung, Ausbildung, berufstätige Frauen und bezahlten Urlaub ausgeben.

Viel hilft viel, rechtfertigt der US-Präsident den Griff in die Vollen. Viel kostet aber auch viel. Und die Rechnung liefert Biden gleich mit. Anfang April hatte seine Regierung bereits angekündigt, die Körperschaftsteuer für Unternehmen von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen. Jetzt sollen auch die reichen Amerikaner einen größeren Beitrag zur Finanzierung von Bidens Umbauplänen leisten. Für Haushalte mit einem Jahreseinkommen ab 400.000 Dollar soll der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer von 37 auf 39 Prozent steigen. Für besonders wohlhabende Familien, die mehr als eine Million Dollar pro Jahr verdienen, soll sich der Steuersatz für Kapitalerträge und Dividenden gar von 20 auf ebenfalls knapp unter 40 Prozent nahezu verdoppeln.

Der Aufschrei dagegen reicht von der Finanzelite an der Wall Street bis zu den Risikoinvestoren im Silicon Valley. Vor allem Hedgefonds und Private-Equity-Firmen fürchten um ihre Steuervorteile: Im Moment zahlen Finanzinvestoren nämlich nur Kapitalertragsteuern von 20 Prozent auf jenes Fünftel ihrer Profite, die sie durch Transaktionen einnehmen.

Investitionsboykott wird es nicht geben

Ob das gerecht ist, hängt vom politischen und oft noch mehr vom finanziellen Standpunkt ab. Ökonomisch aber lässt sich gegen die Steuerpläne von Biden kaum etwas sagen. Das wichtigste Argument seiner Kritiker, die Steuererhöhungen würden zum einem Investitionsboykott in der US-Wirtschaft führen, sticht nicht.

Zunächst sind von dem massiven Anstieg der Kapitalertragsteuern nur 0,3 Prozent der Haushalte in den USA betroffen. Außerdem dient nur ein kleiner Teil des Geldes, das täglich an den Finanzmärkten gehandelt wird, dazu, in neue Fabriken und Maschinen zu investieren, die dann auch neue Jobs schaffen. Zahlreiche Studien zum Finanzkapitalismus zeigen, dass das weitaus meiste Geld innerhalb des von der Realwirtschaft weitgehend losgelösten Finanzsystems verbleibt und für den Kauf und Verkauf von existierenden Anlageprodukten genutzt wird.
Es lässt sich ökonomisch kaum begründen, dass die Gewinne aus diesem Perpetuum mobile der Finanzwelt geringer besteuert werden sollten als Einkommen aus normaler Erwerbsarbeit. Dass Biden jetzt die beiden Steuersätze angleichen will, ist also richtig.

Biden wird seine Rede in der Nacht zu Donnerstag vor beiden Kammern des Parlaments halten. Quelle: AP
US-Kongress in Washington

Biden wird seine Rede in der Nacht zu Donnerstag vor beiden Kammern des Parlaments halten.

(Foto: AP)

Dafür spricht auch, dass die von seinem Vorgänger Trump durchgesetzten Steuersenkungen entgegen aller Versprechungen keinen nachhaltigen Effekt auf das Investitionsverhalten der Unternehmen hatten. Die schon von Ronald Reagan propagierte Idee des „trickle down“, wonach Steuersenkungen für die Reichen am Ende auch den sozial Schwachen nützen, hat sich einmal mehr nicht bewahrheitet. Der von Biden geplante Körperschaftsteuersatz von 28 Prozent liegt immer noch weit unter der Marke seiner republikanischen und demokratischen Vorgänger der letzten 30 Jahre. Nur Trump war eine Ausnahme.

So richtig Bidens Steuerpläne ökonomisch sind, so riskant sind sie politisch. Die Republikaner verdammen den Griff ins Portemonnaie der Bürger als „Sozialismus“ und hoffen auf den uramerikanischen Reflex gegen Steuererhöhungen. Verlassen können sie sich jedoch nicht mehr darauf. Jüngste Meinungsumfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner Bidens Pläne unterstützt – inklusive der Steuererhöhungen.

Der Demokrat verärgert jedoch auch die reichen Anhänger und finanziellen Unterstützer seiner liberalen Agenda, die ihren Lebensunterhalt an den Finanzmärkten verdienen. Nicht zuletzt deshalb gibt es insbesondere im Senat unsichere Kantonisten wie den moderaten Demokraten Joe Manchin aus West Virginia. Will Biden seine Steuer- und Ausgabenpläne durch den Kongress bringen, braucht er jedoch jede Stimme. Andererseits müssen sich die wohlhabenden Anhänger der „Biden Revolution“ fragen lassen, ob sie bereit sind, den amerikanischen Charaktertest zu bestehen: „To put your money where your mouth is.“

Biden hat zudem noch ein weiteres Ass im Ärmel: Er wird seinen Kritikern einen Kompromiss anbieten und sie auffordern, Gegenvorschläge für die Finanzierung seiner bei den US-Bürgern populären Sozial- und Infrastrukturprogramme zu machen.

Mehr: Welche Auswirkungen Joe Bidens Pläne auf die US-Aktienmärkte haben

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