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KommentarBraucht es noch die McKinsey-Berater?

Künstliche Intelligenz macht die Berater mehr denn je zu Getriebenen – vor allem in eigener Sache. Doch die Berater wären nicht die Berater, wenn es keine Lösung gäbe.Tanja Kewes 24.05.2023 - 13:08 Uhr
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KI stellt die Berater nun vor die existenzielle Frage: Wofür braucht es uns in Zukunft noch?

Foto: Moment/Getty Images

Sie stehen qua Definition wie keine andere Berufsgruppe für natürliche Intelligenz: die Berater. Sie wollen aufgrund ihres schlauen Köpfchens für viel Geld engagiert werden. Und vor allem eines geben: Rat. Nicht umsonst heißt es schon sprichwörtlich: Guter Rat ist teuer.

Die Berater, seit jeher eine Klasse für sich, kommen nun wie vielleicht keine andere Berufsgruppe in die Bredouille – durch Künstliche Intelligenz. „Will AI become the New McKinsey?“ – mit dieser ketzerischen Frage provozierte jetzt das Magazin „The New Yorker“ die Szene.

Und es ist was dran: Die Technologie fordert die Berater in doppelter Hinsicht: Die generative KI stellt erstens das eigene Geschäftsmodell infrage. Wofür braucht es noch Berater, wenn die KI auch verlässlich analysieren und präsentieren kann?

KI verschärft durch extrem kurze Innovationszyklen zudem eine Herausforderung, vor der die Berater traditionell stehen: Sie müssen immer einen Schritt voraus sein. Berater müssen Trends, egal welcher Art, schneller als alle anderen Marktteilnehmer antizipieren, weiterdenken – und müssen aus Trends Strategien entwickeln.

Hinzu kommt, und das trifft die margenverliebten Beraterhäuser besonders: In Zeiten wie der aktuellen Multikrise – Pandemie, Lieferketten, Krieg, Inflation – ist die Unsicherheit und damit auch der Beratungsbedarf zwar vielleicht so hoch wie nie, die Preissensitivität der Klienten aber (leider) auch. Fallen die Preise, fehlen auch bei den Beratern über kurz oder lang die Mittel für Investitionen in neue Leute, Methoden, Technologien.

Entlassungen im großen Stil

Die ersten Rückschläge lassen sich in der Beratungsbranche schon beobachten: Das Wahnsinnswachstum der vergangenen beiden Jahre ist vorbei. McKinsey, die weltweite Nummer eins der Strategieberatungen, überprüft derzeit das eigene Geschäftsmodell sowie erstmals auch Entlassungen im größeren Stil im sogenannten Backoffice.

>>Lesen Sie hier: Bain-Chef Manny Maceda: „KI hat als Technologie das Potenzial, die Welt zu verändern“

Die Nummer zwei der Branche, die Boston Consulting Group, hat 2022 international nur noch um elf Prozent zugelegt – und damit weniger als halb so viel wie im Jahr zuvor. Und Bain-CEO Manny Macedo, als Nummer drei der Branche der bis dato umtriebige Angreifer, erklärte jetzt im Interview mit dem Handelsblatt, dass er nach einem „außergewöhnlich erfolgreichen Jahr 2021“ und einem „sehr guten Wachstumsjahr 2022“ nun nur „ein anständiges 2023“ erwartet.

Nun mag mancher Beobachter einwenden, dass Größe nicht alles ist und es sogar sein Gutes haben könnte, wenn die Berater weniger stark wachsen.

So könnten sie sich etwa auf Qualitätsverbesserung konzentrieren. Fakt ist aber auch: Das Wachstum erfolgte nicht aus Hybris. Größenvorteile sind in der Beratungsbranche mit entscheidend.

Vor allem die großen Beratungsgesellschaften müssen mindestens so international und breit aufgestellt sein wie ihre Kunden, also Dow-Jones- und Dax-Konzerne. Sie müssen zudem alle Themen abdecken – von Diversität über Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Leistungssteigerung bis Sanierung.

Echtes Kompetenzproblem

Sind sie nicht derart breit aufgestellt, haben sie mindestens ein gefühltes Glaubwürdigkeits-, wenn nicht gar ein echtes Kompetenzproblem. Eine Krux, an der sich die größte deutsche Strategieberatung Roland Berger, die nach Weltgeltung strebt, seit jeher abarbeitet.

KI wird das Topmanagement auf ein neues Niveau heben.
Krishnan Rajagopalan, CEO einer der weltweit führenden Personalberatungen Heidrick & Struggles

KI stellt die Berater nun vor existenzielle Fragen. Wofür braucht es uns in Zukunft noch? Wie schaffen wir es, bei immer kürzeren Innovationszyklen à jour zu sein oder gar dem Tag voraus? Was machen wir eigentlich mit unseren Heerscharen an Junioren und Researchern?

Berater verzichtbar?

Denn gerade deren Tätigkeiten erledigt schon jetzt mehr oder weniger zuverlässig die aktuelle KI-Generation. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach freizusetzen ist natürlich keine Lösung. Schließlich wäre das erstens schlecht für das Image der Unfehlbarkeit, und zweitens rekrutieren sich aus den heutigen Junioren die späteren Senioren. Beratung ist schließlich vor allem, und das wird bei aller Technologiegläubigkeit so bleiben, ein People-Business.

Die Berater wären ja nicht die Berater, wenn sie nicht auch schon für KI erste Ansätze hätten: Bain etwa profitiert gerade von einem Coup. Die Beratung ist im Februar eine Kooperation mit OpenAI, der Firma hinter ChatGPT, eingegangen. Diese sogenannte Serviceallianz brachte natürlich Aufmerksamkeit, belegte Cleverness und bescherte eigener Aussage nach schon diverse neue Aufträge.

Doch auch dieser smarte Deal wird Bain nicht davor retten, eigene Expertise aufzubauen – zumal OpenAI mit ChatGPT nur einer der neuen Spieler in der (noch) schönen neuen Welt der Künstlichen Intelligenz ist.

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Insgesamt gilt: Nirgendwo liegen die Chancen und Risiken der KI so dicht beieinander wie in der Beraterbranche. Die Berater müssen sich wie alle anderen gehobenen Dienstleistungsberufe – wie Juristen, Journalisten oder Architekten auch – auf ihre Kernkompetenzen besinnen. Sie müssen auf der Basis verlässlich erhobener Daten analysieren, Strategien entwickeln und dann auch die Transformation verantwortlich mit begleiten.

Denn wie erklärte jüngst Krishnan Rajagopalan, CEO einer der weltweit führenden Personalberatungen Heidrick & Struggles: „KI wird das Topmanagement auf ein neues Niveau heben.“ Nach Abschaffung oder Abdankung klingt das nicht.

Mehr: Diese KI-Lösungen erleichtern die Arbeit

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