Kommentar: Das Ende der Naivität im Umgang mit China

Lange wurde gerätselt, ob die neue Bundesregierung unter Führung der Union in der Chinapolitik auf eine andere Gangart als die Vorgängerregierung setzen würde – oder ob es sich aus der Opposition heraus nur leicht hatte reden lassen. Nun zeigen sich erste Anzeichen, dass künftig tatsächlich ein anderer Wind als noch unter der SPD-geführten Regierung mit Blick auf China wehen könnte.
Die Absage der ersten Chinareise von Johann Wadephul im Amt als Außenminister ist nur das plakativste Beispiel. Wenn wie in dem Fall Vorbedingungen für Gespräche gestellt werden, die gegen die Interessen Deutschlands laufen, muss die Regierung der größten Volkswirtschaft Europas eine Grenze ziehen. Chinas Führung wird das verstehen, denn sie vertritt seit Jahren sehr klar ihre Interessen auf internationaler Bühne.
Einen neuen Ton vernimmt man auch in Brüssel. Da hat sich Deutschland zuletzt dafür eingesetzt, notfalls auch über Strafmaßnahmen gegen China zu diskutieren, sollten die chinesischen Exportrestriktionen für seltene Erden weiterhin so streng bleiben.
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Auch im Verborgenen sieht man erste Ansätze, die in eine Richtung zeigen, dass in Berlin realistischer mit dem wichtigen Handelspartner umgegangen wird. Übernahmeversuche vonseiten chinesischer Unternehmen, etwa von wichtiger deutscher Infrastruktur, werden kritischer und systematischer betrachtet. Das Forschungsministerium durchleuchtet deutsch-chinesische Wissenschaftskooperationen genauer, wie jetzt im Fall der Kooperation des Helmholtz-Instituts Desy mit Nexperia.
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Deutschland kann von China lernen, wenn es darum geht, seine Interessen klar zu formulieren und durchzusetzen. Und auch, dass das eben nicht im Umkehrschluss heißt, dass man nicht mehr zusammenarbeitet. Es ist eigentlich ganz einfach: Dort, wo es Deutschland nützt, lohnt sich eine Kooperation. Dort, wo es Deutschland schadet, nimmt man davon Abstand.