Kommentar: Das IOC gibt im Fall der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai ein miserables Bild ab

Ein 30-Minuten-Telefonat reichte dem IOC, um zu behaupten, Peng gehe es gut.
Gerade mal 30 Minuten Videogespräch brauchte das Internationale Olympische Komitee (IOC), um sich davon zu überzeugen, dass es der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai „gut“ geht. Das ist erstaunlich vor dem Hintergrund, dass es in dem Fall der verschwundenen Star-Sportlerin sehr viele Ungereimtheiten gibt und die chinesische Staatsführung bekannt dafür ist, Äußerungen von chinesischen Staatsbürgern zu erpressen.
Peng hatte Anfang November in einem Post in dem Twitter-ähnlichen chinesischen sozialen Netzwerk Weibo gegenüber dem ehemaligen chinesischen Vizepremierminister und Vertrauten von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, Zhang Gaoli, schwere Vorwürfe erhoben: Zhang soll Peng sexuell missbraucht haben. Nur wenige Minuten nachdem die 35-Jährige den Beitrag veröffentlicht hatte, wurde er gelöscht. Seitdem hörte man nichts mehr von ihr. Bis zu diesem Wochenende.
Am Sonntagabend veröffentlichte das IOC einen knappen Beitrag darüber, dass IOC-Chef Thomas Bach und die Vorsitzende der Athletenkommission des IOC, Emma Terho, mit Peng ein 30-minütiges Videogespräch gehabt hätten. Zuvor hatten chinesische Staatsmedien mehrere angeblich aktuelle Videoaufnahmen von Peng verbreitet, die sie in guter Verfassung zeigen sollen. Peng gehe es gut, sie schien „entspannt“ zu sein, gab Terho nach dem Gespräch zu Protokoll.
Ein 30-Minuten-Telefonat reicht nicht
Dass sie und IOC-Chef Thomas Bach sich allein auf Basis eines 30-minütigen Gesprächs als Kronzeugen dafür hergeben, dass Peng Shuai in bester Verfassung sei, ist ein Skandal. Denn es geht im Fall Peng nicht allein darum, dass sie noch lebt. Es geht darum, wie sie behandelt wird, ob sie sich frei bewegen kann oder festgehalten wird, ob sie ein Verbot hat, offen über ihre Vorwürfe gegenüber Zhang zu sprechen – und ob sie ernst genommen werden und gegen den hochrangigen Politiker ermittelt wird.
Dass das IOC angesichts dessen das Video des Gesprächs noch nicht einmal veröffentlicht hat – es also auch gar nicht klar ist, ob diese Themen überhaupt angesprochen wurden –, sich aber dennoch nicht zu schade ist, zu behaupten, dass es Peng „gut“ gehe, ist unseriös und unglaubwürdig. Menschenrechtsorganisationen beklagen immer wieder, dass Kritiker der chinesischen Staatsführung oder von deren ehemaligen und aktiven Mitgliedern regelmäßig zu öffentlichen Entschuldigungen oder anderen Äußerungen gezwungen werden.
Selbst für Experten dürfte es unmöglich sein, zu verifizieren, ob Peng die Aussagen im Gespräch mit Bach und Terho nur unter Druck gemacht hat. Das IOC macht sich mit seiner Aussage so zum Handlager Pekings.
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