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KommentarRückkehr der Marktwirtschaft

Von Marktwirtschaft war in der Corona-Rettungspolitik lange keine Rede mehr. Beim Autogipfel hat die Politik ein Einsehen: Statt Geldspritzen sollen marktwirtschaftliche Konzepte helfen.Thomas Sigmund 09.09.2020 - 14:35 Uhr aktualisiert Artikel anhören
Foto: Burkhard Mohr

Vom Autogipfel dürfte vor allem ein Satz in Erinnerung bleiben: „Eine Arbeitsgruppe soll prüfen, ob und wie ein ‚marktwirtschaftliches Konzept‘ entwickelt werden könnte“, heißt es in dem Ergebnispapier. Von Marktwirtschaft war in der Corona-Rettungspolitik schon lange nicht mehr die Rede.

Der Umfang der Hilfspakete nahm schwindelerregende Ausmaße an. Bundesfinanzminister Olaf Scholz versprach zu Beginn der Krise, alles zu tun, was nötig ist, um der Wirtschaft zu helfen. Das gipfelt in dem Satz: „Whatever it takes“. Was damals richtig war, gilt jedoch heute zu Recht nicht mehr. Bei dem Spitzentreffen, zu dem die Kanzlerin geladen hatte, wurde über weitere Geldspritzen und Kaufprämien für Autos mit modernen Verbrennungsmotoren verhandelt.

Es muss dann aber doch ein Einsehen gegeben haben, dass weiteres Staatsgeld allein nicht glücklich macht. Sicher nicht bei den Ministerpräsidenten der Autoländer, Markus Söder (CSU) oder Stephan Weil (SPD). Aber Kanzlerin Angela Merkel hatte schon im Vorfeld die Erwartungen stark gedämpft, noch mehr Geld ins System zu pumpen.

Immerhin gab es bereits im Konjunkturpaket, das im Juni beschlossen worden war, weitreichende Unterstützung für die Branche. Die Kanzlerin drückte die Pausetaste. Vom Tisch ist deshalb wohl auch ein von IG Metall, Grünen und SPD geforderter staatlicher Beteiligungsfonds, der Mittelständlern in der Autoindustrie, also den Zulieferern, zu Hilfe kommen soll.

Die Kanzlerin hatte schon in ihrer Sommerpressekonferenz auf eine Unwucht in der Bekämpfung der von der Pandemie verursachten wirtschaftlichen Folgen hingewiesen. Sie denke vor allem an Kleinunternehmer, die um ihre Existenz bangen und jetzt die Unterstützung der Bundesregierung bräuchten, sagte sie damals.

Ungleiche Hilfen

Die Asymmetrie in der Unterstützung sozialpartnerschaftlich organisierter Unternehmen einerseits und des kleinen Mittelstands andererseits dürfte dazu beigetragen haben, dass es auf diesem Autogipfel nicht zu neuen Geldversprechen gekommen ist. In der SPD gibt es offensichtlich einige, die klammheimliche Freude empfinden, dass kleine Selbstständige zum Sozialamt laufen müssen.

Die Sozialdemokraten verweisen immer auf die Anhebung der Schonvermögen für diese Gruppe. Dass einem Selbstständigen der Gang zum Amt zuwiderläuft, kommt offenbar in der Vorstellungswelt der SPD nicht vor. Sie will große, von Gewerkschaften dominierte Unternehmen und vom Staat abhängige Ich-AGs. Das freie Unternehmertum, wie es vor allem der deutsche Mittelstand repräsentiert, ist den meisten SPD-Funktionären fremd. Nicht umsonst ist der ehemalige SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ zur FDP gewechselt.

Die Arbeitsplätze in der Industrie sind für den Wohlstand Deutschlands mitentscheidend. Aber eines gilt trotzdem: Unternehmen, die sich komplett in die Hände der Politik begeben, bestehen oft nicht mehr im Wettbewerb. Als Beispiel dient die deutsche Steinkohle, die jahrzehntelang subventioniert wurde – das Ruhrgebiet hat sich bis heute nicht wirklich erholt. Mit der Stahlindustrie ist es ähnlich: Die letzten beiden großen Stahlkocher, Thyssen-Krupp und Salzgitter, kämpfen nicht nur wegen Corona um ihre Existenz. Das sollte der Autobranche eine Warnung sein. Und der Politik erst recht.

Jetzt soll das Eigenkapital der Zulieferer gestärkt werden, haben die Teilnehmer des Gipfels beschlossen. Nicht mit Staatsgeld, sondern wohl über einen von privaten Investoren finanzierten Hilfsfonds. Das ist schon mal der richtige Weg. Der Mittelstand leidet auch historisch bedingt unter einer Eigenkapitalschwäche. Das gilt aber nicht nur für die notleidenden Autozulieferer, sondern auch für Mittelständler aus anderen Branchen.

Der Autobranche soll jetzt ein marktwirtschaftliches Konzept aus der Coronakrise helfen.

Foto: dpa

Diese Fondsidee könnte man auf andere Industrien wie den Maschinenbau übertragen. Da kann auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit reingehen, aber bloß nicht die Regierung. Die KfW ist immerhin noch eine Bank. Eine Staatsbeteiligung sollte es nicht geben.

Die Spitzenrunde verabredete außerdem, den digitalen Wandel rund ums Auto voranzubringen sowie das autonome Fahren. Die Infrastruktur für Elektroautos soll verbessert werden. Wenn dann auch noch das bereits beschlossene Programm über insgesamt zwei Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie umgesetzt wird, dann subventioniert die Regierung nicht mehr die Vergangenheit, sondern gestaltet die Zukunft.

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Und vielleicht kann so sogar der Wettbewerb gegen Tesla gewonnen werden. Der Autobauer Daimler hatte übrigens mal Anteile an der US-Autofirma, sie aber offensichtlich zu früh veräußert. Jetzt laufen die deutschen Hersteller dem Visionär Elon Musk hinterher. Noch ist gar nicht ausgemacht, ob er selbst am Ende der große Gewinner des Strukturwandels in der Autoindustrie ist.

Die deutschen Autobauer haben den Ölpreisschock der 1970er-Jahre und den Japanschock der 80er und 90er erfolgreich überwunden. Der Schlüssel zum Erfolg lag damals aber in besseren Autos und modernen Managementmethoden. Staatlicher Schutz spielte in allen diesen Fällen eine untergeordnete Rolle.

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