Kommentar – Der Chefökonom: Wachstumsbremse Minijobs
Düsseldorf. Deutschlands Volkswirtschaft fehlen Arbeitskräfte, und angesichts des bevorstehenden Alterungsschubs der Gesellschaft dürfte sich dieser Mangel in den kommenden 15 Jahren verschärfen. Gleichzeitig leistet es sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, dass nahezu jeder sechste Erwerbstätige eine geringfügige Beschäftigung ausübt.
Annähernd sieben Millionen geringfügig Beschäftige registrierte die „Minijob-Zentrale“ im ersten Quartal dieses Jahres, zwei Drittel davon waren zwischen 25 und 64 Jahre alt – also keine Schüler, Studenten oder Rentner. Die große Mehrheit sind Deutsche und weit mehr als die Hälfte Frauen.
Minijobs gibt es seit 1977. Sie sind bei Beschäftigten und Arbeitgebern beliebt, weil sie steuer- und abgabenbegünstigt sind. Anstatt der sonst üblichen Sozialabgaben von rund 41 Prozent plus – je nach individueller Leistungsfähigkeit – Einkommensteuer müssen gewerbliche Arbeitgeber für Minijobber pauschal 31,4 Prozent an Lohnsteuer und Sozialabgaben entrichten. Die Beschäftigten erhalten Brutto für Netto.
Sozialkassen entlasten
Mit dieser steuer- und abgabenrechtlichen Privilegierung subventioniert der Staat die geringfügige Beschäftigung. Der langjährige Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, bezeichnet dieses „Minijob-Privileg“ als „Anachronismus“. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) forderte er, solche Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen oder nur noch für Schüler und Studierende zuzulassen. „Eine solche Reform würde die Sozialkassen entlasten und dem Arbeitsmarkt guttun." Wenn Menschen ein Leben lang geringfügig beschäftigt seien, erhielten sie keine „auskömmliche Rente“ mit der Folge, dass die Allgemeinheit für deren Altersversorgung aufkommen müsse.