Kommentar: Der Westen sollte sich von Putin nicht einschüchtern lassen


Erst die Kampfpanzer, dann die Kampfjets, jetzt die Raketen großer Reichweite – das Ritual ist immer das Gleiche: Der Westen kündigt die nächste qualitative Stufe bei der militärischen Unterstützung der Ukraine an – und Russlands Präsident Putin warnt die Nato, damit zur Kriegspartei zu werden. So auch jetzt, wo Großbritannien sich mit dem Okay der USA offenbar anschickt, den Einsatz weitreichender Marschflugkörper auch auf russischem Territorium zu erlauben.
Kiews Alliierte sollten sich – wie auch schon in der Vergangenheit – von den düsteren Drohungen aus dem Kreml nicht einschüchtern lassen. Dass die Ukraine in ihrem verzweifelten Abwehrkampf auch militärische Ziele auf russischem Territorium angreift, ist vom Völkerrecht gedeckt. Auch wenn Putin, der die regelbasierte Ordnung mit Füßen tritt, das herzlich wenig kümmern dürfte.
Der Einsatz weitreichender Waffen auf russischem Territorium ist aber nicht nur legitim, sondern auch militärisch geboten, wenn die Ukraine den Krieg nicht doch noch verlieren soll. Mit massiven Angriffen auf die Wärme- und Stromversorgung vor dem nahenden Winter setzt der russische Diktator erneut auf eine Zermürbungstaktik gegenüber der Zivilbevölkerung. Und trotz des ukrainischen Entlastungsangriffs in der russischen Region Kursk rücken Russlands Streitkräfte an der Front im Donbass vor.
Schon durch die Drohung mit dem Einsatz westlicher Marschflugkörper auf russischem Territorium könnte sich die Armeeführung gezwungen sehen, Militärflugplätze, Raketenabschussbasen oder Nachschubdepots weiter ins Hinterland zu verlegen.
Diese militärische Logik versteht man auch in Berlin. Dennoch dürfte sich an der Haltung von Regierungschef Scholz, keine deutschen Taurus-Marschflugkörper zu liefern, kaum etwas ändern.
Dabei muss auch dem „Friedenskanzler“ klar sein: Nur wenn der Preis des Weiterkämpfens für den Kreml zu hoch wird, wird sich Putin überhaupt auf Friedensverhandlungen einlassen.





