Kommentar: Der Zollwettlauf bei den E-Autos ist fatal


Beim jüngsten Treffen der G7-Handelsminister gelobten die sieben führenden Industrienationen einmal mehr, „unsere Märkte offen und wettbewerbsfähig zu halten und den freien Handel und Investitionen zu fördern“.
Solche Bekenntnisse klingen zunehmend hohl. Am Montag erklärte der kanadische Premier Justin Trudeau, dem Beispiel der USA zu folgen und einen Strafzoll von hundert Prozent auf E-Auto-Importe aus China zu erheben.
Mit dem Schwenk der einst liberalen Handelsnation vertieft sich die Kluft innerhalb der G7. Auf der einen Seite steht Nordamerika, das seine Märkte komplett gegen die chinesischen E-Autos abschottet. Auf der anderen Seite finden sich (noch) Großbritannien und Japan, die bislang auf Zölle ganz verzichten.
Die EU hat sich für einen Mittelweg entschieden – mit abgestuften Zöllen von bis zu 46,3 Prozent. Im Unterschied zu den USA und Kanada versuchen die Europäer zumindest, die Höhe der Zölle mittels objektiver Kriterien zu begründen – auch wenn die Berechnungen nicht alle überzeugen.
Die Rückkehr der Zölle markiert eine neue Etappe im Welthandel. Vorbei die Zeiten, als der US-Autobauer Tesla seine Fahrzeuge für den kanadischen Markt in Shanghai produzieren konnte. Künftig wird er seine Kunden in Toronto aus den USA oder Europa beliefern müssen – oder eine Fabrik in Kanada bauen.
Der Westen zieht die Notbremse
Es findet eine Regionalisierung des Handels statt, die Produktion rückt wieder näher an den Absatzmarkt heran. Die chinesischen Hersteller bauen bereits Fabriken in Europa, um den Zöllen zu entgehen. Damit büßen sie einen Teil ihres Kostenvorteils ein – und schaffen Arbeitsplätze in Europa.
» Lesen Sie auch: Hohe Zölle für deutsche Autoimporte – Brüssel verärgert Berlin
Haben die Zölle also einen positiven Effekt? Aus Sicht des Westens korrigieren sie eine Ungerechtigkeit. Der chinesische Staatskapitalismus ignoriert seit Jahrzehnten die Regeln des fairen Wettbewerbs. Durch massive Subventionen für strategische Branchen versetzt das Regime in Peking seine Firmen in die Lage, Marktanteile zu gewinnen.

Inzwischen dominiert China Schlüsselsektoren wie die Batterieproduktion und die Solartechnologie. Bei den E-Autos zieht der Westen daher nun die Notbremse. Die Gefahr einer Eskalation ist offensichtlich: Durch die Abschottung Nordamerikas steigt der Druck auf die anderen Märkte, ebenfalls Zollschranken hochzuziehen. Man wird sehen, wie lange Großbritannien und Japan ihre liberale Position durchhalten.
Die Leidtragenden des neuen Zollwettlaufs sind die Verbraucher, die lange von den günstigen Produkten aus China profitiert haben. Sie müssen sich nun auf höhere Preise einstellen.
Mehr: China droht Kanada mit Gegenmaßnahmen wegen 100 Prozent Strafzoll





