Kommentar Die EU sollte den wirtschaftlichen Graben zu Großbritannien nicht weiter vertiefen

Der EU-Kommissar hat diese Woche bestätigt, dass die EU einen Teil der britischen Finanzmarktregeln erst im kommenden Jahr anerkennen will.
Die Europäer werfen dem britischen Premier Boris Johnson gern vor, in den Freihandelsgesprächen politische Ideologie über wirtschaftliche Vernunft zu stellen. In der Frage der Finanzmärkte muss die EU-Kommission sich jedoch die gleiche Kritik gefallen lassen.
Finanzkommissar Valdis Dombrovskis will Teile des britischen Regelwerks erst im kommenden Jahr für äquivalent erklären – deutlich nach dem Ende der Übergangsperiode. Damit droht eine mehrmonatige Lücke, die den Zugang europäischer Unternehmen und Anleger zum größten Kapitalmarkt Europas beschränkt oder zumindest verteuert.
Die EU hat mehrere Gründe die Entscheidung zu verschleppen. Erstens will sie offenbar den Druck auf Johnson in den Freihandelsgesprächen erhöhen. Der Premier soll zum Einlenken in der Frage der Staatshilfen gezwungen werden. Dies ist eine legitime Verhandlungstaktik. Wäre dies der einzige Grund, könnte die Äquivalenz gewährt werden, sobald das Freihandelsabkommen steht.
Es wird jedoch erwartet, dass die EU-Kommission die Anerkennung der britischen Finanzmarktregeln auch danach noch hinauszögert. Sie hat also offensichtlich noch weitere Motive.
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Da wäre zum einen die Standortpolitik. Sie will in London ansässige Finanzfirmen dazu bewegen, mehr Arbeitsplätze und Kapital in die EU zu verlagern. Und schließlich ist da noch der Aspekt der Strafe: Es soll sichergestellt werden, dass die Londoner Finanzdienstleister nach dem Austritt aus dem Binnenmarkt nicht einfach so weitermachen als wäre das Land noch Mitglied.
Auch europäische Unternehmen wären betroffen
In der EU wird argumentiert, die City of London habe kein Anrecht auf Artenschutz als Finanzzentrum Europas. Außerdem habe die britische Regierung sich mit ihrem harten Brexit-Kurs selbst von den europäischen Kunden abgekoppelt. Beides ist unbestreitbar.
Aber die EU sollte den wirtschaftlichen Graben nicht noch unnötig vertiefen. 80 Prozent der Tui-Aktien werden an der Londoner Börse gehandelt. Wenn diese nicht als gleichwertig anerkannt wird, müssen europäische Anleger sich mit der deutlich geringeren Liquidität an der Frankfurter Börse begnügen. Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Leiden würden unter einem langen Streit der Aufseher nicht nur die Londoner Banken und Investmentfirmen, sondern auch die europäischen Unternehmen. Eine gewisse Fragmentierung der Kapitalmärkte hat seit dem Brexit-Votum bereits stattgefunden, jede weitere Zersplitterung macht das Geschäft nur noch teurer.
Die EU sollte dieses Eigentor vermeiden. Wenn das Freihandelsabkommen steht, gibt es keinen Grund mehr, dem britischen Finanzsektor die Äquivalenz zu verweigern.
Mehr: EU-Chefunterhändler Michel Barnier ist frustriert nach ergebnisloser siebter Verhandlungsrunde.
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Die Briten wollten die EU verlassen, dann aber bitte auch ohne Rosinenpickerei.