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KommentarDie FDP sollte den Ampelausstieg vorbereiten

Ende der Woche tagt der Koalitionsausschuss. Gelingt bei dem Treffen kein radikaler Neustart, müssen die Liberalen an die eigene Zukunft denken.Thomas Sigmund 17.10.2023 - 15:44 Uhr
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Im jüngsten „ARD-Deutschlandtrend“ ist die FDP auf Bundesebene auf die Fünfprozenthürde zurückgefallen.

Foto: dpa

TV-Moderator Günther Jauch, den so manche Bürgerinnen und Bürger als Bundespräsidenten herbeisehnen, hat jüngst den Zustand der Ampelkoalition als „Resterampe“ beschrieben. Die Umfragen passen zu dieser harten Formulierung. Rund 80 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit von SPD, Grünen und FDP unzufrieden.

Zusammen kommen die drei Parteien nur noch auf ein Drittel der Stimmen der Wahlberechtigten. Der Dauerzoff nervt nur noch, angefangen bei der Steuerung der irregulären Migration bis hin zur Finanzierung eines Brückenstrompreises für die Industrie.

SPD und Grüne wurden bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen von den Wählern abgestraft. Die Zeiten, in denen die Sozialdemokratie Volkspartei war und die Grünen eine werden wollten, sind erst mal vorbei. Bundesweit allerdings müssen beide mit rund 15 Prozent in Umfragen nicht ums politische Überleben kämpfen.

Ganz anders die Lage der Liberalen: Bei der FDP läutet schon wieder das Totenglöckchen. In den Flächenländern Niedersachsen und Bayern ist die Partei aus den Landtagen geflogen. Im jüngsten „ARD-Deutschlandtrend“ geht es auf Bundesebene bereits um die politische Existenz.

Der Standardspruch der Parteispitze lautet angesichts der desolaten Lage: Die FDP ist nichts für schwache Nerven. Doch lange wird das nicht mehr reichen, um die arg gerupften Landesverbände und die unzufriedene Basis zu beruhigen. 

>> Lesen Sie hier: Nach den Niederlagen in Bayern und Hessen kündigen die Ampelparteien unterschiedliche Konsequenzen an

Das Paradox: Eigentlich spielt Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner in wichtigen Punkten die Rolle des liberalen Korrektivs. Nur dringt er mit seiner Politik nicht durch. Solide Staatsfinanzen, Einhaltung der Schuldenbremse, Widerstand gegen das völlig verunglückte Heizungsgesetz oder ein entschiedenes Auftreten gegen die unkontrollierte Migration sind den potenziellen FDP-Wählern jedoch zu wenig.

Die Liberalen werden an der Digitalisierung, der Entlastung der Wirtschaft und am Bürokratieabbau gemessen. Doch da kommt wenig bis gar nichts an, obwohl mit Volker Wissing und Marco Buschmann zwei FDP-Minister dafür zuständig sind.

Das bislang vorgelegte Paket zum Bürokratieabbau ist mit zwei Milliarden Euro Entlastung jährlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die deutsche Wirtschaft ächzt unter einem Erfüllungsaufwand im dreistelligen Milliardenbereich. 

Erschwerend kommt hinzu: Die Ampel mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck wird als Ganzes abgestraft, und der Puffer der Liberalen, um sich gegen den erneuten Abstieg in die außerparlamentarische Opposition zu stemmen, ist aufgebraucht. Gelingt kein radikaler Neustart, wenn die Regierungsparteien am Freitag zu ihrem Koalitionsausschuss zusammenkommen, muss die FDP an die eigene Zukunft denken. Auf Hilfe von Friedrich Merz brauchen die Liberalen nicht zu zählen.

Was jetzt schon absehbar ist: 2024 wird ein weiteres schwieriges Jahr. Bei den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland ist nicht viel zu gewinnen für die Liberalen, die Europawahl droht zu einer Denkzettelabstimmung für die Koalition in Berlin zu werden. Fragen nach einem Ausstieg aus der Koalition beantwortet die FDP-Spitze immer auch gerne mit dem Hinweis auf die staatspolitische Verantwortung der Partei, gerade in Krisenzeiten.

Strack-Zimmermann ist die Spitzenkandidatin der FDP für die kommende Europawahl.

Foto: IMAGO/HMB-Media

Doch es gibt auch eine staatspolitische Verantwortung, die liberale Stimme für Marktwirtschaft und Bürgerrechte im Bundestag zu halten. Neue Wahlniederlagen lassen ein Comeback auf Bundesebene immer unwahrscheinlicher werden. Lindner gilt über die Parteigrenzen hinweg als begnadeter Wahlkämpfer. Ob er jedoch in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl die Gelegenheit zu einem Lucky Punch bekommt, weiß niemand. 

Spätestens im Frühjahr 2024 muss ein Lambsdorff-Papier vorbereitet sein

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verglich vor nicht allzu langer Zeit die Grünen mit einem „antiautoritären Kinderladen“. Wenn sich daran nichts ändert, und danach sieht es aus, sollte sich die FDP auf einen Plan B vorbereiten. Spätestens im Frühjahr kommenden Jahres muss ein neues „Lambsdorff-Papier“ vorbereitet sein, danach läuft die Zeit davon. 

Der sogenannte „Scheidungsbrief“ aus dem Jahr 1982 beendete die Koalition zwischen der SPD von Helmut Schmidt und der FDP. Das Papier stand stellvertretend für die wirtschaftspolitische Umorientierung von der keynesianischen Nachfragesteuerung zur liberalen Angebotspolitik.

Eine Politikwende, die mit Teilen der SPD und vor allem den Grünen nicht zu machen scheint. Die Ironie der Geschichte: Das Papier taugte zur Scheidung von der ausgelaugten SPD hin zu Helmut Kohl. Doch umgesetzt wurden die radikalen Forderungen, etwa die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, erst von Gerhard Schröder

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Otto Graf Lambsdorff ließ das Papier seinerzeit im Wirtschaftsministerium erstellen. Ob Lindner die Begründung dafür im Finanzministerium oder in der Fraktion erarbeiten lässt, spielt keine große Rolle. Die strategische Überlegung ist ohnehin kurzfristig eine andere als in den 80er-Jahren. Damals konnte man den Machtwechsel durch ein Misstrauensvotum kalt im Parlament vollziehen, um kurz danach Neuwahlen anzustreben.

Damals ging es um den Machterhalt in einer Koalition mit der Union. Heute geht es darum, den Niedergang in die politische Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Ändert sich nichts, muss es für die FDP heißen: Lieber nicht regieren als falsch regieren.

Mehr: Schwere Schlappe für die Ampel

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