Kommentar: Die Illusion vom Ende der chinesischen Immobilienkrise


Die Unternehmen Evergrande oder Country Garden dürften vielen bekannt sein, Vanke vermutlich eher nicht. Der Konzern aus Shanghai gehört seit Jahren zu den größten Bauunternehmen Chinas und galt lange als einer der solidesten Akteure in einer chronisch krisengeplagten Branche.
Doch jetzt gerät auch dieser Gigant ins Wanken: In dieser Woche beantragte der einst umsatzstärkste Entwickler des Landes, die Rückzahlung einer Zwei-Milliarden-Yuan-Anleihe (rund 283 Millionen US-Dollar) zu verschieben, die am 15. Dezember fällig wäre. Mit anderen Worten: ein drohender Zahlungsausfall.
Der überraschende Schritt, lokale Schulden nicht wie geplant bedienen zu können, bedeutet den nächsten schweren Rückschlag für einen Sektor, der sich bis heute nicht von den massiven Einbrüchen der vergangenen Jahre erholt hat – von ausbleibenden Verkäufen bis hin zu spektakulären Pleiten wie bei der China Evergrande Group oder Country Garden Holdings Co. Die Erzählung vieler asiatischer Immobilienexperten, die noch vor einem Jahr Optimismus verbreiteten, gerät nun ins Wanken: Die Krise ist nicht vorbei, sie tritt in die Verlängerung. Mindestens zwei weitere Jahre, wahrscheinlich eher fünf bis zehn.
In China konkurrieren derzeit zwei Narrative miteinander:
Die Wahrheit ist: Beide Versionen stimmen. Kurzfristig lässt sich die Krise managen, die Verwerfungen bleiben begrenzt – abgesehen von manchen leer stehenden Appartementblöcken und aggressiven Marketingaktionen verzweifelter Makler in Chinas Großstädten.
Doch die Ratlosigkeit der Verantwortlichen nagt zunehmend am Vertrauen der Bevölkerung. Die verhaltene Konsumlust ist längst mehr als nur ein wirtschaftliches Symptom. Sie spiegelt eine tief sitzende politische Ermüdung wider. Wer befürchten muss, dass Kindererziehung, Krankheit oder die Pflege der Eltern jederzeit die eigenen Ersparnisse verschlingen könnten, gibt sein Geld im Hier und Jetzt nur zögerlich aus. „Der Abschwung im Immobiliensektor ist die Hauptursache für die schwache Konsumnachfrage“, schreibt auch ein Shanghaier Wirtschaftswissenschaftler in einer aktuellen Analyse.
Wenig Hilfe aus Peking
Die Staats- und Parteiführung hat sich entschieden, der Immobilienwirtschaft noch weniger Unterstützung zukommen zu lassen als bisher. Wäre das Ziel, den Sektor zu stabilisieren, würde man einem der größten Entwickler, Vanke, unter die Arme greifen. Stattdessen sendet Peking ein klares Signal: Die Branche soll schrumpfen. Das macht es anderen Unternehmen deutlich schwerer, neue Anleihen zur Refinanzierung auszugeben.
Zwar erwägt der Staat kleinere Unterstützungsmaßnahmen, etwa Subventionen für hohe Zinskosten. Die großen Ressourcen sollen jedoch nicht länger in Beton fließen, der einst das Wachstum stützte, sondern in zukunftsträchtige Technologiebranchen.


Nur: Diese Branchen können nicht ersetzen, was die Immobilienwirtschaft einst war – ein stabiler Vermögensspeicher und eine Form privater Altersvorsorge für Millionen von Familien. Deshalb muss die Politik tiefgreifende Antworten finden. Sie muss das soziale Netz stärken, den Menschen Zuversicht zurückgeben und so auch ihre Bereitschaft fördern, wieder zu konsumieren.
Nur so kann die Volksrepublik aus eigener Kraft zu wirtschaftlicher Stärke zurückfinden. Davon würden nicht zuletzt jene ausländischen und deutschen Unternehmen profitieren, die in China für China produzieren.
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