Kommentar: Die Kernprobleme von Thyssen-Krupp bleiben ungelöst


Die Vorstandsvorsitzende hat den Aufsichtsrat um eine Vertragsauflösung gebeten.
Dass Martina Merz, die Vorstandschefin von Thyssen-Krupp, gehen musste, zeigt zunächst eines: wie schwer es ist, das Industriekonglomerat zu führen. Problematisch ist schon die Vielfalt der Geschäftsbereiche. Hinzu kommt, dass das chronisch finanzschwache Unternehmen die nötigen Investitionen kaum aus eigener Kraft stemmen kann. Der wichtigste Grund für die Probleme allerdings liegt im Aktionärskreis, der von der Krupp-Stiftung dominiert wird.
Die Stiftung ist zwar der größte Anteilseigner der Thyssen-Krupp AG, eine Strategie für das Unternehmen mit seinen mehr als 100.000 Mitarbeitern aber hat sie nicht entwickelt. Die Stiftungsvorsitzende Ursula Gather erwartet lediglich eine angemessene Dividende.
Dabei lässt Gather dem Management viel Freiheit. Ohne aber einen klaren Kurs abzustecken, fehlt den wechselnden Vorständen eine wichtige Orientierung, wie der Fall Merz zeigt. Bei ihr sollten die Firmenteile nebeneinander für sich werkeln, praktisch stand jedes von diesen zum Verkauf.
Maximale Unsicherheit bei Thyssen-Krupp
Im Unternehmen hat das für maximale Unsicherheit gesorgt. Mehrfach machte der Betriebsrat öffentlich Druck, damit endlich eine Strategie entwickelt wird. Vergeblich. Merz wollte nicht, und die Stiftung schwieg sich aus. Als dann die Kritik aus dem Management zunahm, musste der Aufsichtsrat reagieren.
Die strategischen Defizite von Merz zu kritisieren greift aber zu kurz. Sie hat mehr oder weniger das getan, was der Großaktionär Krupp-Stiftung vorgegeben hat. Gather und ihr Team sollten die Personalie zum Anlass nehmen, endlich eine Idee zu entwickeln, was mit Thyssen-Krupp geschehen soll.
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Schon Gathers Vorgänger Berthold Beitz fehlte eine klare Linie, was wohl der wesentliche Grund für die heutige Schieflage von Thyssen-Krupp ist. Beitz ist als Retter vieler jüdischer Menschen im Zweiten Weltkrieg eine moralische Instanz, von dessen Rang es in der deutschen Geschichte nur wenige gegeben hat. Als Chef der Stiftung hat er sich aber an Thyssen-Krupp versündigt.
Problem seit der Fusion
Die Zeit seit der Fusion von Krupp und Thyssen im Jahr 1999 ist geprägt von Diskussionen über die Zukunft der Stahlsparte und der Frage, wer den Konzern führen darf. Das hat die Firma und ihre Mitarbeiter Kraft gekostet und den Blick auf das Wesentliche verstellt. Wofür Thyssen-Krupp eigentlich steht, ist nachrangig geworden.



Wie es besser geht, zeigen die ebenfalls von Stiftungen kontrollierten Unternehmen Fresenius und Bosch. Beide Unternehmen haben ihre Probleme, aber sie haben auch eine Eigentümerschaft, die einen Rahmen für unternehmerisches Handeln vorgibt.
Ist die Krupp-Stiftung nicht bereit, klare Vorgaben zu machen, sollte sie ihre Beteiligung am Konzern verkaufen. Ohne Strategie wird die Substanz des Traditionskonzerns aufgezehrt. Die Arbeitsplätze verschwinden, die Aktionäre verlieren ihr Geld. Die Namen Krupp und Thyssen würden dann in einer Reihe mit AEG, Demag und Mannesmann stehen. Gerade die Krupp-Stiftung dürfte daran kein Interesse haben.
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