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Kommentar Die pflanzliche Revolution rettet unseren Planeten

Der Veggietrend ist keine Lifestylemode. Nur so ist die wachsende Weltbevölkerung mit Proteinen zu versorgen, ohne die Umwelt massiv zu schädigen.
07.04.2021 - 20:30 Uhr Kommentieren

Keine zehn Jahre ist es her, da forderten die Grünen einen „Veggie-Day“ pro Woche und wurden dafür belächelt und beschimpft. Inzwischen sind Sojaschnitzel und Mandelmilch in der Mitte der Gesellschaft angekommen – ganz ohne Vorschriften. Der Fleischkonsum hierzulande sinkt. Vegane Kost hat es aus der Ökonische herausgeschafft. Selbst Ketten wie Starbucks und McDonald’s bieten Hafermilch von Oatly oder Veggieburger von Beyond Meat. Beide Veganfirmen haben eine Milliardenbewertung, die früher nur Techfirmen erreichten.

Denn der Trend zu Veggiefleisch und Hafermilch ist alles andere als eine Lifestylemode, sondern bittere Notwendigkeit. Nur so ist die wachsende Weltbevölkerung mit Proteinen zu versorgen, ohne Umwelt und Klima weiter massiv zu schädigen. In 40 Jahren werden zwei Milliarden Menschen mehr auf der Erde leben. Es führt kein Weg vorbei an tierfreien Alternativen zu Fleisch und Milch.

Zumal die Produktion von Fleisch höchst ineffizient ist. Nur 18 Prozent ihres Kalorienbedarfs deckt die Menschheit mit Fleisch oder Milch. Dafür werden aber drei Viertel der weltweiten Agrarfläche verbraucht. Für Monokulturen von Futterpflanzen wie Soja und Weideflächen für Rinder werden unwiederbringlich Regenwälder gerodet. Ein Irrsinn, an den wir uns irgendwie gewöhnt haben.

Hinzu kommt: Vieh- und Fischzucht samt Futter und Landnutzung sind laut „Fleischatlas“ für 14,5 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgas verantwortlich. Das ist mehr, als der weltweite Straßen- und Flugverkehr zusammen erzeugen. Mit unserem Heißhunger auf Steaks, Sahneeis und Cheeseburger zerstören wir auf Dauer unseren Planeten.

Ganz abgesehen davon, dass wir Deutsche mit etwa 57 Kilo Fleisch pro Kopf im Jahr schon doppelt so viel essen, wie Ernährungswissenschaftler empfehlen. Früher war der Sonntagsbraten etwas Besonderes. Heute kann sich jeder täglich Fleisch leisten.

Eigentlich müsste Fleisch viel teurer sein. Die Klimafolgen eingerechnet, wären Milchprodukte fast doppelt so teuer, für Fleisch wäre ein noch höherer Preisaufschlag nötig, ermittelten Augsburger Wissenschaftler. Auch für mehr Tierwohl ist eine Abgabe von 40 Cent pro Kilo Fleisch und Wurst hierzulande anvisiert.

Die Fleisch- und Milchbranche steht an einem historischen Wendepunkt

Hinzu kommt: Gülle verseucht zunehmend unser Grundwasser mit Nitrat. Denn in Deutschland werden viel mehr Schweine gemästet, als wir essen. Auch mit Milch sind wir überversorgt. Fleisch und Milch aus Deutschland werden bis nach China exportiert. Bauern leiden trotzdem am Verfall von Fleisch- und Milchpreisen. Die Branche steckt in einer Sackgasse – und befindet sich an einem historischen Wendepunkt.

Die Welt steht am Anfang einer „pflanzlichen Revolution“. Die vollzieht sich eher schleichend, ist aber nicht weniger umwälzend als die digitale Revolution. Schon jede zehnte Portion Fleisch, Fisch, Ei oder Milch wird bis 2035 durch tierfreie Alternativen ersetzt, schätzt die Beratung BCG.

Die US-Firma Beyond Meat stellt pflanzliche Burgerpatties her und wird nach dem Börsengang mit mehr als acht Milliarden Dollar bewertet. Quelle: Beyond Meat
Veganer Burger

Die US-Firma Beyond Meat stellt pflanzliche Burgerpatties her und wird nach dem Börsengang mit mehr als acht Milliarden Dollar bewertet.

(Foto: Beyond Meat)

Fleisch- und Milchproduzenten wandeln sich zu „Protein“-Herstellern – von Danone bis Tönnies. Nicht unbedingt um den Planeten zu retten, sondern um am rasant wachsenden Milliardenmarkt mitzuverdienen. Denn mittelfristig sind die Margen höher, weil die Wertschöpfungskette viel kürzer ist.

Die Rügenwalder Mühle macht bereits mehr Umsatz mit fleischfreien Produkten als mit klassischer Wurst. Ein risikoreicher Strategiewechsel nach 180 Jahren, der sich langfristig auszahlt. Auch Joghurt-Multi Danone fährt längst zweigleisig. Durch Zukäufe etwa der Marke Alpro ist der Konzern heute Weltmarktführer im Veganbereich. Auch das klassische Danone-Sortiment wird zunehmend pflanzlich.

Treiber dieser Innovationen sind Pioniere wie Beyond Meat, Impossible Foods oder Oatly. Mehr als drei Milliarden Dollar Wagniskapital flossen allein 2020 in Start-ups für alternative Proteine. Während Lobbyisten in der EU noch verzweifelt versuchen, nach Begriffen wie Hafermilch auch Beschreibungen wie „sahnige Konsistenz“ verbieten zu lassen, ist Asien schon weiter. Dort spielt künftig die Musik. Im September wurde in Singapur das welterste Fleisch aus dem Labor zugelassen – Chicken-Nuggets des US-Start-ups Eat Just.

Fleisch aus Zellkulturen ohne Tierleid ist der große Hoffnungsträger, aber noch nicht massenmarktfähig. Bisher kamen Imitate – besonders von Fisch, Ei oder Meeresfrüchten – in Textur, Geschmack und Preis nur selten ans Original heran. Das ist aber nur eine Frage der Zeit. Auch fragwürdige Zusatzstoffe werden weniger. Importsoja aus Amerika wird künftig durch Rohstoffe wie Erbsen aus heimischem Anbau abgelöst.

Überzeugte Vegetarier fragen sich allerdings: Warum künstliches Fleischimitat essen und nicht gleich Gemüse? Weil sich die Menschheit die jahrtausendealte Fleischeslust nicht von heute auf morgen abgewöhnen lässt. Schnitzel und Steak lassen sich nicht verbieten. Aber bald hat keiner mehr eine Ausrede, dass umweltschonende Alternativen nicht schmecken oder zu teuer sind.

Mehr: Oatly und Co.: Wie vegane Alternativen die Milchbranche aufmischen.

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