Kommentar: Digitale Verwaltung: Deutschland hat das Faxen dicke
Über 46.000 IT-Fachkräfte bräuchte es, um das Ziel des OZG, bis 2022 alle Verwaltungsdienste digital abzubilden, zu erreichen.
Foto: obsWer durch deutsche Behörden läuft, fühlt sich in die Siebzigerjahre zurückversetzt. Faxgeräte schnurren, auf den Fluren verteilen Boten die Post. Dass Deutschland beim Thema E-Government ein Desaster ist, hat die Pandemie gezeigt. Wir stehen hinter Zypern, Italien und Polen auf Platz 21 in Europa. Eine niederschmetternde Bilanz versäumter Digitalpolitik. Auch im Wahlkampf kamen Digitalisierung und Innovation kaum vor. Im Jahr 2021 müssen wir auf‘s Amt gehen und Wartemarken ziehen.
Die neue Regierung muss das ändern. Ob Jamaika oder Ampel-Koalition: Die Grünen und die FDP werden bei den Koalitionsverhandlungen den Ton angeben. Sie haben die Chance zu tun, was die GroKo versäumt hat: die Verwaltung zu digitalisieren. Anders ausgedrückt: Amtsstuben überflüssig zu machen.
Die gute Nachricht: Die vermeintlich konträren Parteien sind sich beim Thema Digitalisierung überraschend einig. „Unnötige Bürokratie“ abbauen, schreiben die Grünen in ihrem 260-seitigen Wahlprogramm – die FDP will Deutschland zum Vorreiter beim „Virtual Government“ machen. Diese Ziele sind aller Ehren wert. Jetzt geht es an die Umsetzung.
Wer einen Wohnsitz oder ein Gewerbe anmelden will, sollte das in einem digitalen Bürgeramt tun können. Statt seitenlange Formulare zu wälzen, wählt ein Antragsassistent die relevanten Informationen aus. Warum können nicht alle Daten, die für Verwaltungsvorgänge nötig sind, in einem Portal gesammelt werden? Statt drei Monate auf einen Termin im Bürgeramt zu warten, wäre der Gang mit einem Klick erledigt.
Schwer ist das nicht. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) macht es vor: Seit 2018 können Unternehmer ihr Gewerbe digital anmelden. Zuzügler können im selben Portal ihren Wohnsitz ummelden. Und wer eine Zweitwohnung in einem anderen Bundesland anmelden will, kann das über dieselbe Plattform abwickeln wie die Anmeldung des Erstwohnsitzes.
In Schleswig-Holstein sind ähnliche Services möglich. Seit Anfang der Nullerjahre gibt es digitale Verwaltungstools, wie „Deutschland Online“, sogar auf Bundesebene. Wer hätte das gedacht! Leider hat die Politik diese Projekte nicht weiterentwickelt.
Deutschland rennt die Zeit davon. Die neue Regierung entscheidet über die Zukunftsfähigkeit des Landes. In einer technologisierten Welt ist Digitalisierung dazu nun mal der Schlüssel.
Übrigens: Datenschützer halten Faxe für unsicher. Es ist eine Frage der Zeit, wann sie verboten werden. Darauf sollten wir uns vorbereiten. Sonst wird’s peinlich.