Kommentar: Dobrindts Cyberabwehr-Plan ist mutig, aber riskant


Alexander Dobrindt hat recht: Deutschland ist digital hochgradig verwundbar. Staatliche Netzwerke, kritische Infrastruktur, selbst Kommunen werden regelmäßig Ziel von Cyberangriffen. Dass der Innenminister den Sicherheitsbehörden endlich mehr Möglichkeiten geben will, solche Attacken aktiv abzuwehren, ist überfällig. Reine Schadensbegrenzung reicht nicht mehr, wenn Hacker längst nicht mehr nur Daten klauen, sondern ganze Systeme lahmlegen.
Dobrindts Vorstoß, Angreifer-Server auch im Ausland notfalls außer Gefecht zu setzen, ist der richtige Weg. Wer sich verteidigen will, muss handlungsfähig sein, auch jenseits der Landesgrenzen. In einer Welt, in der Cyberkriminalität keine Grenzen kennt, darf auch der Rechtsstaat, will er denn wehrhaft sein, nicht ewig an den eigenen Grenzen stehenbleiben.
Doch so pragmatisch diese Strategie erscheinen mag, juristisch ist das Vorhaben heikel. Dobrindt glaubt, es brauche keine Grundgesetzänderung. Das könnte ein Trugschluss sein.
Debatte über Grundgesetzänderung
Denn wenn Bundesbehörden in originäre Länderzuständigkeiten der Gefahrenabwehr eingreifen oder gar außerhalb Deutschlands agieren, kann das sehr wohl die Kompetenzen verschieben, für die eine einfache Gesetzesänderung nicht ausreichen könnte.
Sollte am Ende doch eine Grundgesetzänderung erforderlich sein, dürfte es aber politisch eng werden. Für die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag wäre die schwarz-rote Koalition auf die Stimmen von Grünen und Linkspartei angewiesen.
Beide dürften aber kaum bereit sein, Maßnahmen mitzutragen, die sie vielleicht als eine Art Militarisierung des Cyberraums verstehen. Und eine Zusammenarbeit mit der AfD ist ausgeschlossen. Damit droht Dobrindts Projekt, noch bevor es startet, an der politischen Realität zu scheitern.
Und das, obwohl der Innenminister eigentlich das richtige Signal sendet: Deutschland will sich digital nicht mehr alles gefallen lassen. Umso wichtiger ist es, die neuen Befugnisse für Cyberabwehrschläge rechtlich sauber abzusichern. Ansonsten bleibt der sicherheitspolitisch überfällige Vorstoß Dobrindts doch nur ein kurzer Moment der Entschlossenheit.
Der CSU-Politiker täte also gut daran, sein Vorhaben juristisch gründlich prüfen zu lassen und den Koalitionspartner wie die Opposition früh einzubinden. Nur so kann verhindert werden, dass das Vorhaben in einer womöglich langwierigen Rechtsdebatte unter die Räder kommt.






Sicherheit im Netz braucht klare Regeln und einen breiten politischen Konsens, der auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben muss.
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