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KommentarEs braucht neue Schranken gegen einen zweiten Trump

Die Amtszeit von Donald Trump hat zu viel Schaden angerichtet. Wollen die USA ihre Demokratie verteidigen, müssen sie aus seiner Präsidentschaft Konsequenzen ziehen.Annett Meiritz 29.12.2020 - 03:56 Uhr Artikel anhören

Bild: Wolfgang Horsch

Foto: Handelsblatt

Wenn man in diesen Tagen am Weißen Haus vorbeigeht, kann man es kaum sehen. Drei große Zäune sind um das Gelände herum errichtet, blickdicht und massiv. Einer davon wurde im Sommer aufgebaut, nach den Protesten um rassistische Polizeigewalt.

Donald Trump ließ damals Tränengas versprühen, damit er ungestört vor einer benachbarten Kirche mit einer Bibel posieren konnte. Der jüngste Zaun stammt aus der Zeit rund um die Wahlnacht im November, deren Ergebnis er bis heute nicht akzeptiert – und vermutlich nie tun wird. Trump ist damit der einzige US-Präsident in der Geschichte, der eine Übergabe an seinen Amtsnachfolger aktiv behindert.

Das Weiße Haus gleicht nicht nur äußerlich einem Bollwerk. Es steht auch für die Bunkermentalität, die Trump zum Ende seiner Amtszeit stärker denn je demonstriert. Während in den USA alle 33 Sekunden ein Mensch im Zusammenhang mit dem Coronavirus stirbt, hat sich der Präsident nach Florida verabschiedet – nicht ohne noch vor der Abreise Schaden anzurichten.

So drohte Trump mit dem Boykott des Covid-Hilfspakets, das die angeschlagene Wirtschaft ankurbeln und Millionen Menschen durch den Winter tragen soll. Auch wenn der Kongress wohl ein Veto des Präsidenten überstimmen könnte, verschwendet Washington durch Trumps Blockade wieder einmal wertvolle Zeit. 

Das Versagen oder eher die Sabotage politischer Prozesse ist für sich genommen erschütternd. Noch erschütternder allerdings ist die Erkenntnis, dass sich Trump auch in seinen größten Krisen und Fehlentscheidungen innerhalb erlaubter Grenzen bewegte. Vieles von dem, was Trump in einer Amtszeit anrichtete, war grundfalsch, unethisch und zerstörerisch. Aber niemand hielt ihn in vier Jahren auf.

Zum Teil ketteten sich die Republikaner zum Zweck des Machterhalts an Trump und schützten ihn, sogar vor der Amtsenthebung. Zum Teil gab es aber schlichtweg keine Handhabe, um dem offensichtlichen Missbrauch des Amtes etwas entgegensetzen zu können.

Trump ist das Resultat eines Systems, das einen Populisten mit autokratischen Tendenzen zum Oberhaupt der mächtigsten westlichen Demokratie aufsteigen und gewähren ließ. 

Trump ist kein Ausrutscher der Geschichte

Es ist an der Zeit, diese Macht einzuschränken – auch wenn der Drang verständlich ist, Trump als Anomalie der Geschichte hinter sich zu lassen. Stattdessen müssen die USA Konsequenzen ziehen, damit sich eine Präsidentschaft wie die von Trump nicht wiederholt.

Kein Gesetz verbot es ihm, Freunde und Verwandte in gut bezahlten Positionen zu installieren. Nichts stand im Weg, als er vor Weihnachten Dutzende Straftäter begnadigte, und zwar einzig und allein als Gegenleistung für ihre Loyalität. 

Trumps Vorgänger machten von ihrem Recht auf Begnadigung ebenfalls Gebrauch. Doch zumindest versuchten sie, ihre Auswahl mit einem höheren Zweck zu begründen – etwas, das der scheidende Präsident nie tun musste. Trump war es auch erlaubt, eine demokratische Wahl ohne Faktengrundlage anzufechten. Er durfte ungehindert Ländern auf Twitter die „totale Auslöschung“ androhen und ohne Zustimmung des Kongresses einen globalen Handelskrieg anzetteln.

Er konnte Kinder in Käfigen an der Grenze zu Mexiko einsperren lassen und musste keine Folgen fürchten, als er seine Bürger über die Gefahren von Corona belog. Es ist rechtlich in Ordnung, dass Trumps Konzern finanziell von seiner Zeit im Weißen Haus und Steuergeldern profitierte.

Sogar nach der verlorenen Wahl darf er Spenden im Namen der Präsidentschaft eintreiben und diese für so ziemlich alles einsetzen. Ein Land, in dem all das möglich ist, hat ein Problem. 

Wer das System austrickst, ist schlauer als das System – das schien ein Leitthema von Trumps Karrieren zu sein, sowohl in der freien Wirtschaft als auch in der Politik. Doch wenn den USA ihr Fundament der Demokratie etwas wert ist, müssen sie es spätestens jetzt stabiler machen.

Denn es ist durchaus möglich, dass in Zukunft ein vergleichbarer Mensch ins Oval Office einziehen will. Vielleicht versucht es Trump 2024 sogar selbst noch einmal. Der Wahlsieg von Joe Biden reicht deshalb nicht, um die Schäden der letzten Jahre zu reparieren. 

Kann man schlechtes Regieren verbieten? Nein, das sicherlich nicht. Aber ganz konkret kann man die Bedingungen ändern und politische Maßstäbe neu definieren. Konkret könnte der US-Kongress ein Transparenzgesetz verabschieden, um die Offenlegung von Steuern und Geschäftskontakten zu erzwingen.

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Er könnte das Gesetz zur Parteienfinanzierung dahin gehend ändern, dass nicht nur die Kandidaten mit dem größten Privatvermögen die besten Chancen haben. Über größere Reformen, die eine Verfassungsänderung erfordern, sollte zumindest eine Debatte möglich sein: etwa über die Grenzen der Immunität im Amt, die Exekutivrechte des Präsidenten oder die Grundlagen einer Amtsenthebung. 

Lange waren die USA zu Recht stolz darauf, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Es mag paradox klingen, aber Trump hat aufgezeigt: Damit die USA frei bleiben können, brauchen sie ein paar Grenzen mehr. 

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