Kommentar: EU-Umgang mit Russland: Sanktionen alleine sind kein Plan

Der Dialog mit Moskau ist sinnvoll, auch wenn diese Erkenntnis, nachdem sie jahrelang mantraartig wiederholt worden ist, langweilig klingt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben mit Russlands Präsident Wladimir Putin gechattet. Dabei ging es, wenn man den offiziellen Angaben glauben darf, mal wieder um alles: von der Herstellung des Sputnik-Impfstoffs über internationale Krisen in Libyen, Syrien und die sich erneut zuspitzende Lage im ostukrainischen Donbass-Gebiet bis hin zur Gesundheit des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny.
Der Dialog mit Moskau ist sinnvoll, auch wenn diese Erkenntnis, nachdem sie jahrelang mantraartig wiederholt worden ist, langweilig klingt. Sinnlos hingegen ist es, einen solchen Dialog mit allen möglichen Themen zu überfrachten, die weder inhaltlich zusammenpassen noch Aussicht auf Fortschritte bieten, weil die Positionen allseits bekannt und verhärtet sind.
Wäre es rein pragmatisch darum gegangen, eine Kooperation bei der Produktion des russischen Vakzins Sputnik V zu besprechen, hätte das als Agenda ausgereicht. Das Thema bietet genügend Gesprächsstoff für mehr als eine Videokonferenz, um abseits von Beißreflexen die tatsächlichen Chancen und Schwierigkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten. Denn obwohl der Kreml Sputnik V bereits seit Sommer anpreist, sind die eigenen Produktionskapazitäten der Russen gering.
Die gleiche Aufmerksamkeit hätten auch Nawalny oder der Donbass verdient. Einzeln wohlgemerkt. Denn angesichts der Themenfülle drängt sich der Verdacht auf, dass das Gespräch weniger der Lösung eines Problems galt als dem Bedürfnis, möglichst viele Themen abzuhaken.
Um konkrete Lösungsvorschläge zu machen, sind Kenntnis und Interesse am Thema nötig. Bereits in Berlin und Paris mangelt es bezüglich der Ostpolitik generell daran. In Brüssel tritt dieses Problem in potenzierter Form auf. Seit Jahren ist die EU-Politik von mangelnder Expertise gekennzeichnet.
Sanktionen allein sind kein Plan
Nicht zuletzt wegen ungenügender Vorbereitung ließ sich Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, unlängst in Moskau so abkanzeln. Der Auftritt des Spaniers wirkte genauso ideen- und kraftlos wie das Vorgehen der EU insgesamt im osteuropäischen und speziell im postsowjetischen Raum. So kann sich Hilfe für die Ukraine nicht in Sanktionen gegen Russland erschöpfen.




Viele Probleme, die es jetzt im bilateralen Verhältnis mit Russland gibt, hätten bei vorheriger Berücksichtigung berechtigter russischer Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen – kein Raketenschirm in Osteuropa, Abstimmung der Östlichen Partnerschaft der EU mit bestehenden Handelsverträgen – zudem verringert oder vermieden werden können.
Das heißt nicht, dass die EU Völker- und Menschenrechtsverstöße der Russen tolerieren muss. Nur sind Sanktionen allein – zumal äußerst halbherzig – eben noch kein Plan.
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