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Kommentar Für Afghanistan gibt es nur noch eine allerletzte und ungewöhnliche Hoffnung

China triumphiert über Amerikas Schmach. Dabei werden sich die beiden Supermächte nicht nur am Hindukusch noch dringend brauchen. Es ist Zeit für Kooperationen statt gegenseitiger Angriffe.
15.08.2021 - 17:09 Uhr 4 Kommentare
Afghanistan erweist sich jetzt zum zum dritten Mal als „Friedhof der Großmächte“. Quelle: Reuters
Flüchtlinge in Afghanistan

Afghanistan erweist sich jetzt zum zum dritten Mal als „Friedhof der Großmächte“.

(Foto: Reuters)

Es sind am Ende immer die Bilder, die Politik einschneidend verändern. Und wie sich die Bilder wieder gleichen: US-Hubschrauber kreisen über Kabul, während die Taliban bereits die Außenbezirke der afghanischen Hauptstadt eingenommen haben. Wie in Saigon im April 1975, als die USA ihre Botschaft mit Helikoptern vor den vorrückenden Vietkong evakuierten. Nur ist der katastrophale Ansehensverlust der USA viereinhalb Jahrzehnte nach der verheerenden Niederlage in Vietnam noch schlimmer.

Denn seitdem die USA China als großen geopolitischen Rivalen immer stärker angehen, kommt unverhohlene Häme aus Peking. Noch nie so offen wie jetzt brandmarken chinesische Diplomaten und die staatlichen TV-Kanäle die Demütigung der Supermacht USA und Washingtons Verrat an Verbündeten. Auch Moskau, das sich 1989 ebenfalls schmachvoll geschlagen geben und abziehen musste, hält sich mit Hohn gegenüber dem in Afghanistan gescheiterten Westen kaum mehr zurück.

Afghanistan erweist sich jetzt zum dritten Mal als „Friedhof der Großmächte“, nachdem zuvor schon das British Empire und die Sowjetunion am Hindukusch scheiterten, ist nun auch die Nato nach 20 Jahren Krieg gescheitert. Und dies wird weitreichende Folgen haben.

Als George W. Bush, vorbehaltlos vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützt, seinen „War on Terror“ als Reaktion auf die desaströsen Anschläge des von Afghanistan aus operierenden Terrornetzwerks al-Qaida auf die New Yorker Twin Towers am 11.September 2001 begann, war dessen Ausgang schon völlig ungewiss.

Es folgte eine idealistische Außenpolitik, die auf das Bauen von Mädchenschulen inmitten eines Landes mit drei Viertel Landbevölkerung und islamischen Moralvorstellungen vorvergangener Jahrhunderte setzte. Also mehr die Wünsche daheim befriedigte, denn ein realistisches Lagebild vom Land hatte.

Verantwortungslose Hilfspolitik des Westens

So mussten die „Gotteskrieger“ der Taliban, die sich wieder anschicken, die Prinzipien der Steinzeit ohne Bücher, Fernseher und Frauenrechte zur Moderne zu verklären, nur warten bis ihnen die reife Frucht in den Schoß fiel. Sie mussten, um im Bild zu bleiben, nicht einmal auf den Baum steigen, um zu pflücken.

Denn es war vor allem die vollkommen verantwortungslose Hilfspolitik des Westens, der dreistellige Milliardensummen an den Hindukusch kippte, ohne deren Verwendung zu kontrollieren, die weite Teile der darbenden Bevölkerung zunehmend verzweifeln und sich mit einer Rückeroberung durch die Taliban anfreunden ließ.

Nie war es gelungen, die himmelschreiende Korruption der angeblichen Verbündeten des Westens in den Ministerien in Kabul oder der durch westliches Geld ruhiggestellten Warlords in den Griff zu bekommen.

Es ist so ein Vielfaches der westlichen Hilfsmilliarden in Immobilien von afghanischen Regierungsvertretern jedweder Couleur in Dubai gelandet als in den Bau von Schulen, Brunnen oder Fabriken in Afghanistan geflossen. Das hat auch die Bevölkerung gesehen und so die Bemühungen des Westens um ihr Land nie ernst genommen.

Und während die Nato-Staaten teilweise mit über 100.000 Soldaten und Gesamtkosten von mehr als einer Billion Dollar versuchten, Sicherheit und Wohlstand am Hindukusch zu schaffen, sicherte sich China die reichen Rohstoffvorkommen, die sie in Form von Kupfer, Lithium und Seltenen Erden in der Elektromobilitätsära so sehr brauchen.

Peking hält sich raus

Peking hat seit der Talibanherrschaft 1996 immer enge Gesprächskanäle zu den radikalislamischen Fundamentalisten unterhalten, allein aus Sorge um die direkt an Afghanistan grenzende moslemische Provinz Xinjiang. Und wegen des riesigen Rohstoffhungers Chinas.

Und Peking machte, was es in Konfliktherden bisher zumeist tat: Es hielt sich raus. Dem Westen, der gegen die Steinzeitkrieger kämpfte, ist es indes nie gelungen, mit den real in weiten Teilen herrschenden Taliban einen Modus Vivendi auszuhandeln. Als glaubten sie ausgerechnet an die Lehre Maos, dass die Macht aus den Gewehrläufen komme, und wurde auf Kampf gesetzt.

Erst als Donald Trump aus Afghanistan rauswollte, gab es Verhandlungen mit der Talibanführung. Dabei sagten die Extremisten alles zu, was die USA hören wollten. Wissend, dass nach dem Tag des Abzugs der Besatzer das Land ohnehin wieder ihres werden würde und sie kein Versprechen einhalten müssen. Jetzt fliehen die USA unter Joe Biden mit Mann und Maus so schnell es noch geht. Die Bundeswehr ist längst abgezogen, die letzten deutschen Diplomaten hoffen auf ein schnelles Ausfliegen aus Kabul.

Ehrlicherweise aber gab es die Alternative zum Abzug ohnehin kaum noch. 20 Jahre Krieg ohne Erfolg – den hätte man zwar weitere 20 Jahre mit weiteren dreistelligen Milliardenkosten führen können und stünde wohl am Ende dort, wo wir jetzt auch stehen.

Neben der Hoffnung, dass sich Taliban und bisherige Regierung doch noch friedlich einigen und es nicht zu großen Massakern kommt und so keine gewaltigen Flüchtlingsströme ausgelöst werden, bleibt nur eines: China, Russland und der Westen haben das gemeinsame Interesse, dass Afghanistan nicht wieder Brutstätte für internationalen Terrorismus wird. Diese Chance zum gemeinsamen Vorgehen muss genutzt werden – allem geopolitischen Triumphgefühl oder Selbstkasteiungen zum Trotz.

Mehr: Friedliche Machtübergabe - Taliban kurz vor der Kontrolle des ganzen Landes

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4 Kommentare zu "Kommentar: Für Afghanistan gibt es nur noch eine allerletzte und ungewöhnliche Hoffnung"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Herr Brüggmann, Sie schreiben "nur warten bis ihnen die reife Frucht in den Schoß fiel."
    Haben die Taliban nicht 20 Jahre dafür gegen die NATO-Allianz gekämpft ?

    Laut NZZ 240.000 Tote Afghanen (Kämpfer und Zivilisten) seit 2001.
    Plus ca. 3500 NATO-Soldaten.

  • Schade , dass die Einsicht:
    "Es ist so ein Vielfaches der westlichen Hilfsmilliarden in Immobilien von afghanischen Regierungsvertretern jedweder Couleur in Dubai gelandet als in den Bau von Schulen, Brunnen oder Fabriken in Afghanistan geflossen."
    erst jetzt kommt.
    So viele haben es sofort gewusst: 9/11 ist das Produkt des militärisch-politisch-industriellen Komplexes.
    Egal ob ei Saudi in der Boeing vielleicht sogar am Steuer saß. Jeder der das gesehen hat und etwas bei Verstand war sagte:"Gibt's doch gar nicht!" Und zwar zu recht.
    Die Fernsteuerfrage ist bis heute nicht gelöst, muss es auch gar nicht. Jeder Flugfachmann hat bestätigt: die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Anfänger zwei Flugzeuge in einem Tag in ein und denselben Gebäudekomplex steuern und treffen ist kleiner als ein Sechser im Lotto ohne Tippen.

    Genau wie die Pandemie: erst werden die Milliarden in die aufnahmebereiten Goldgruben versenkt und dann kommt raus, das Impfen nicht weniger infektiös macht. Solange die WHO im Wesentlichen von Big Pharma abhängt, kann das Volk den Bonzen doch nicht vertrauen.
    Genausowenig wie einer v.Hayek-Adeptin auf neoliberalem Atlantikkurs als Bundeskanzlerin.
    (Das war jetzt mein Cato-Moment, nicht unterstützt durch das CATO-Institute.) …

  • Mehr Gedanken als über Chinas Zugriff auf Rohstoffe mache ich mir über das Scheitern der westlichen Außen-und Sicherheitspolitik. Das Konzept einer sog. "wertebasierten Politik" ist wieder einmal- krachend -gescheitert. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat sind keine Exportartikel und eigenen schon gar nicht nicht für "Missionen" in Ländern der Dritten Welt. Außenpolitik ist pragmatische Realpolitik und dient der Durchsetzung unserer eigenen Interessen. Mit Demokratie hat das, wenn überhaupt, erst in zweiter oder dritter Linie zu tun. Wie konnten unsere Politiker (innen) so naiv sein zu erwarten, dass in einem tief gespaltenen Land , das sich über Stämme und Clans definiert und in dem zum Teil noch archaisch anmutende gesellschaftliche Vorstellungen herrschen, ein moderner demokratischer Staat entstehen könnte?
    Jetzt kann es kurzfristig nur darum gehen, unsere eigenen Leute herauszuholen und denen zu helfen, die uns in Afghanistan geholfen haben. Der Rest ist Schadensbegrenzung , wozu vor allem gehört, keine unkontrollierten Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland zuzulassen, sondern den Nachbarn Afghanistans rechtzeitig Hilfe auch finanzieller Art anzubieten. Längerfristig wird man sich über eine grundlegende Neuausrichtung deutscher und europäischer Sicherheitspolitik verständigen müssen , und zwar auf der Grundlage von Realpolitik und nicht weltfremden Wunschvorstellungen.

  • Wenn China die Bodenschätze Afghanistans fördert und teils selbst verbraucht und noch dazu auf dem Weltmarkt anbietet, ist das doch kapitalistisch gesehen völlig in Ordnung. Man soll doch nicht annehmen, dass Westfirmen die Rohstoffe billiger anbieten würden. Die Globalisierung ist gewahrt, was will man denn mehr und mehr Angebot an Rohstoffen lässt die Preise hoffentlich nicht steigen. China wird hoffentlich reichlich Rohstoffe fördern, in Afghanistan, wenn sich die Lage beruhigt haben wird und die Gotteskrieger das Land mit eiserner Faust regieren werden. Dem Markt tut das gut.

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