Kommentar: Habeck und die Scheichs: Willkommen in der Realität

Der Bundeswirtschaftsminister im Gespräch mit VAE-Energieminister Suhail al-Masrui (2. v. re.).
Die Grünen nähern sich ganz langsam der Realpolitik an. Während sie im Wahlkampf und bei der Regierungsbildung dachten, sie hätten mit dem Klimaschutz das Megathema schlechthin, herrscht jetzt Krieg in Europa. Pandemie und Klimaschutz rücken weit nach hinten auf der politischen Agenda.
Der Schrittmacher für diese Verwandlung der Grünen ist Robert Habeck. Der Bundeswirtschaftsminister reiste nach Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, um die Versorgungssicherheit auf eine breitere Basis in Deutschland zu stellen.
Die Abkehr von Öl und Gas muss angesichts der Krisensituation warten. Kritisierten führende Grüne Katar vor Kurzem noch als Austragungsort für die Fußballweltmeisterschaft, werden die Scheichs jetzt vom Vizekanzler mit einer tiefen Verbeugung umgarnt.
Für die vielen privaten Haushalte und die Unternehmen, die unter den hohen Energiepreisen leiden, kommt seine Initiative jedoch genau zum richtigen Zeitpunkt.
Habeck mutet seinen Grünen mit all dem einiges zu. Dass seine Beamten eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke abgelehnt haben, dürfte nicht das letzte Wort sein. Gerade am Wochenende kündigte Belgien an, seine Meiler länger laufen zu lassen.
Grüne erleiden keinen Imageschaden
Aber Habecks Popularität in der Öffentlichkeit schadet das nicht und die Ökopartei bleibt auch in den Umfragen stabil. Nur Teile der mittleren Funktionärsschicht grummeln. Ihnen ist das Tempo, in dem die Parteiführung lieb gewordene Grundsätze aufgibt, zu schnell.
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Auch der Beschluss, 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung der Bundeswehr zu stecken, ist für die Pazifistenpartei eigentlich eine Zumutung. Dass Habeck auch noch für die Rüstungsexporte zuständig ist, macht das Ganze für viele in der Partei nicht besser.
Für so manchen Hardcore-Grünen sind die explodierenden Energiepreise akzeptabel. Je teurer der Sprit ist, desto schneller wird die Klimawende vorangetrieben, so die Denke.
Klimaschutz ist nicht per se heilig
Als Finanzminister Christian Lindner zur Entlastung der Familien, Pendler und kleinen Betriebe einen Tankrabatt ins Spiel brachte, gab es zwar viele Ökonomen, die das falsch fanden. Aber in der Bevölkerung kam der Vorschlag an.
Für die Grünen war das ein Schock. Ging man bisher davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger alles dem Klimaschutz unterordnen würden, muss man nun feststellen, dass das nicht der Fall ist.


Für Habeck ist das eine schwierige Gratwanderung: Er will das Notwendige für Deutschland tun und darf gleichzeitig die mittlere Funktionärsschicht nicht allzu sehr verärgern.
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