Kommentar Heiße Wirtschaft, kalte Politik? Der Westen braucht eine bessere Chinastrategie

Der heutige US-Präsident versteht China als Systemrivalen.
Manchmal sind internationale Beziehungen so in Konflikten verfangen, dass nur noch ein Gespräch auf höchster Ebene hilft. So schlecht ist es derzeit leider um die US-chinesischen Beziehungen bestellt. Bilaterale Treffen zwischen Ministern und Beratern haben in den vergangenen Wochen und Monaten die Missverständnisse eher vertieft.
Insofern ist das erste Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatspräsident Xi Jinping nach sieben Monaten Funkstille eine gute Nachricht. Biden und Xi kennen sich aus ihrer Zeit als jeweilige Vizepräsidenten vor knapp einem Jahrzehnt. Doch zu hoch sollten die Erwartungen nicht sein.
Denn die Kluft zwischen beiden ist zu groß: Chinas Führung ist enttäuscht, dass sich nach dem Amtsantritt Bidens im Januar die Beziehung nicht verbessert. Peking droht, auf Feldern wie dem Kampf gegen die globale Erwärmung nicht zu kooperieren, wenn auf außen- und wirtschaftspolitischen Feldern keine Annäherungen möglich erscheinen. Der Tonfall in der chinesischen Diplomatie ist ruppiger geworden, ihre Ambitionen und Forderungen sind deutlicher artikuliert.
Eine konsistente Chinastrategie hat der US-Präsident acht Monate nach seinem Amtsantritt noch nicht vorgelegt. Klar ist nur: Er versteht China als Systemrivalen und weiß dabei den Großteil der US-Bevölkerung hinter sich. Im Wettbewerb, wenn nötig, kollaborativ, wenn möglich und konfrontativ, wo unvermeidbar, so ist der Leitfaden.
„Heiße Wirtschaft, kalte Politik“ – Diese Dualität funktioniert nur noch begrenzt
Ging es seinem Vorgänger Donald Trump vor allem um Importe aus China, den Marktzugang amerikanischer Unternehmen und US-Arbeitsplätze, lässt sich Biden zudem stärker von demokratischen Werten leiten. Das macht die Beziehungen schwieriger, denn die Lage in Hongkong oder der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang, die labile Lage im südchinesischen Meer und um Taiwan bieten genügend Anlass zur Sorge.
„Heiße Wirtschaft, kalte Politik“ – so wird das Verhältnis zwischen Japan und China oft beschrieben. Diese Dualität gibt es heute auch im Verhältnis der USA zu China. Der Vermögensverwalter Blackrock aus den USA etwa hat gerade in Rekordzeit eine Milliarde Dollar von chinesischen Investoren eingesammelt, nachdem ihm der chinesische Markt geöffnet wurde.
Doch die Rivalität um Halbleiter oder Investitionsbeschränkungen zeigt ebenso wie die Kritik an Blackrocks Chinageschäft durch Investor George Soros: An einem bestimmten Punkt ist diese Dualität von Wirtschaft und Politik nicht mehr möglich, sind politische Leitlinien vonnöten. Das gilt nicht nur für die USA.
Auch für die neue Bundesregierung wird eine konsistente Chinastrategie deshalb eine zentrale Herausforderung sein. Eine solche Strategie muss eigenständig sein und darf sich nicht zu sehr auf den US-Partner stützen. Die Trump-Jahre haben gezeigt, wie schnell diese Stütze wegbrechen kann. Biden sollte seine Chinastrategie indes endlich vorlegen. Sonst kann er kaum von seinen transatlantischen Partnern einen Schulterschluss gegen Peking fordern.
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