Kommentar: Israel führt einen Krieg gegen die Zeit


Seit dem 13. Juni greift die israelische Luftwaffe gezielt zentrale Elemente des iranischen Atomprogramms an. Ziel sind Nuklearanlagen, militärische Stützpunkte sowie führende Köpfe des Programms. Die Offensive, von Premierminister Benjamin Netanjahu als „Operation Rising Lion“ bezeichnet, soll nicht nur Teheran, sondern der Welt klarmachen: Der Iran ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für die gesamte Region.
Ein bedrückendes Symbol dieser Bedrohung steht in Teheran: Auf dem sogenannten Palästina-Platz zählt eine digitale Uhr die Jahre bis zur angeblichen „Auslöschung Israels“ im Jahr 2040 – ein zynisches Zeichen, das in Jerusalem als offene Kampfansage verstanden wird.
Israels Angriff kam nicht überraschend. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) warnte vor deutlichen Fortschritten des iranischen Atomprogramms – und rügte Teheran erstmals seit zwei Jahrzehnten offiziell wegen Verstößen gegen das Atomabkommen. Das Regime reagierte trotzig: Es kündigte ein neues Urananreicherungszentrum an einem „geschützten Ort“ an. Damit wurde die Lage für Israel noch brenzliger.
Zudem stagnierten die Atomverhandlungen mit den USA. Präsident Donald Trump zeigte sich zunehmend frustriert und zweifelte offen am Sinn weiterer Gespräche. Für Netanjahu war deshalb klar: Jetzt sei der Moment zu handeln.
Die Atomanlagen sind unterirdisch geschützt
Bereits früher hatte Israel die sogenannte Begin-Doktrin angewendet – die Ausschaltung von Nuklearprogrammen durch Präventivschläge: 1981 im Irak, 2007 in Syrien. Doch der Iran ist ein anderes Kaliber: Seine Anlagen sind dezentral verteilt, tief unterirdisch geschützt. Ein schneller Schlag genügt nicht – die Operation wird sich deshalb vermutlich über längere Zeit hinziehen.
Israel nutzt ein günstiges Zeitfenster: Irans regionale Verbündete wie Hisbollah oder Hamas sind militärisch geschwächt. Parallel zu den Luftschlägen führen israelische Spezialeinheiten zudem vor Ort geheime Operationen durch, um Irans Fähigkeit zur Vergeltung zu schwächen.
Dass der Krieg nicht zum definitiven Ende der atomaren Aufrüstung führen kann, ist in Israel klar. Es ist aber schon beruhigend, wenn das Nuklearprogramm um viele Jahre zurückgeworfen wird.

Israel gegen Iran: Wie realistisch ist ein Regimesturz?
Das Risiko einer militärischen Eskalation ist hoch. Doch ein atomar bewaffneter Iran wäre für viele Israelis die weitaus größere Gefahr – eine existenzielle Bedrohung.




Wer dieses Misstrauen für übertrieben hält, braucht nur nach Teheran zu blicken. Dort läuft die Uhr weiter. Unerbittlich, bis 2040.
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