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KommentarNetanjahus Angriff ist Trumps Niederlage – und die Welt leidet mit

Ein US-Präsident, der Ad-hoc-Außenpolitik betreibt, ein unberechenbarer Iran und ein Israel, das historische Fakten schaffen will – diese Kombination ist ein gefährliches Gemisch.Jens Münchrath 15.06.2025 - 17:09 Uhr
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Trump mit Netanjahu: Für eine vollständige Zerstörung der Atomanlagen des Irans braucht Israel die Unterstützung der USA. Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa

Auf Rache folgt Rache, auf Vergeltung folgt Vergeltung – die Eskalationsdynamik ist ungebrochen. Die Zeichen stehen auf Krieg im Nahen Osten, wieder einmal. Es wäre neben der russischen Invasion in der Ukraine ein weiterer Krieg, der vor allem zweierlei zeigt: erstens die permanente Überforderung des Westens, der sich mit einer Welt in Aufruhr konfrontiert sieht.

Zweitens: das Vakuum, das die westliche Führungsmacht USA hinterlässt, die unter der Präsidentschaft Donald Trumps zu rationaler und strategischer Außenpolitik nicht fähig, womöglich nicht einmal willens ist.

Der G7-Gipfel in Kanada und der Nato-Gipfel in den Niederlanden in der kommenden Woche werden geprägt sein von der Gewaltspirale. Und sie werden einmal mehr von dieser Ohnmacht des Westens zeugen im verzweifelten Versuch, diese Spirale zu durchbrechen.

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Dabei dürfte allen Beteiligten klar sein, dass ein großer, lang anhaltender Krieg zwischen Israel und Iran das Letzte ist, was die Weltgemeinschaft in diesen Zeiten der geopolitischen Krisen und der stotternden Weltwirtschaft gebrauchen kann.

Es gibt drei wesentliche Gründe dafür, die die Lage so bedrohlich machen. Da ist erstens der israelische Premier, der Außenpolitik weitgehend aus innenpolitischen Motiven heraus betreibt.

Netanjahu geht es zunächst um Machterhalt

Benjamin Netanjahu geht es zunächst um Machterhalt und darum, seine Koalition zusammenzuhalten. Seine radikalen Koalitionspartner treiben ihn in eine aggressive Außenpolitik, die das Land zunehmend isoliert.

Das gilt für die maßlose Vergeltungspolitik im Gazastreifen an der Zivilbevölkerung nach den Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober. Es gilt für die Angriffe auf die iranische Miliz Hisbollah im Libanon. Und es gilt für die wiederholten Attacken auf den Iran selbst, wobei zumindest ein Teil dieser Angriffe als berechtigte Reaktion auf vorangegangene militärische Aktionen Teherans zu werten ist.

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Kein vernünftiger Mensch bestreitet Israels Selbstverteidigungsrecht. Israel musste auf den Hamas-Terror reagieren. Es musste ebenso reagieren auf das Atomprogramm des iranischen Regimes, das die Vernichtung Israels zur Staatsräson erklärt hat und das nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) nur wenige Monate von der Fertigstellung einer Nuklearbombe entfernt war.

Bestreiten allerdings lässt sich mit gutem Grund, ob die jetzige Politik der Eskalation Israel wirklich mehr Sicherheit bringt. Das wiederum sollte das einzige Entscheidungskriterium für die Bewertung der Angriffe auf die iranischen Anlagen sein.

Iran ist in seiner Schwäche unberechenbar

Da ist zweitens ein Iran, der sich in einer prekären Lage befindet. Der wichtigste Verbündete, die Hisbollah vor allem im Libanon, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die ebenfalls verbündete Assad-Diktatur in Syrien ist Vergangenheit. Die Schwäche des Teheraner Regimes, das um sein Überleben kämpft, macht es nicht berechenbarer.

Das Gegenteil ist der Fall: Irans Machthaber werden im Zweifel alle Kraft darauf verwenden, die Bombe doch noch zu bauen – erst recht wenn eine Verhandlungslösung mit den USA nicht mehr in Sichtweite ist. Eine Nuklearwaffe ist die beste Überlebensgarantie für das Regime.

Für eine vollständige Zerstörung der unterirdischen Atomanlagen des Irans braucht Israel die Unterstützung der USA, des dritten, vielleicht sogar entscheidenden Unsicherheitsfaktors in diesem Konflikt.

Trump verfolgt widersprüchliche Ziele

Trump betreibt nicht nur eine Ad-hoc-Außenpolitik, der US-Präsident verfolgt auch widersprüchliche Ziele. Das fängt schon damit an, dass er sich einerseits als Friedensstifter inszenieren will, andererseits aber sein Land in isolationistischer Tradition unbedingt aus den „Konflikten in fernen Weltregionen raushalten“ will.

Die fatale Kommunikation der US-Regierung vor und nach dem israelischen Militärschlag ist verräterisch: „Wir bleiben einer diplomatischen Lösung der iranischen Atomfrage verpflichtet!“, schrieb Trump noch wenige Stunden vor der israelischen Militäraktion auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social.

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Sein Außenminister Marco Rubio äußere sich kurz nach der Attacke im Iran maximal distanziert: Die USA seien „nicht an Schlägen gegen den Iran beteiligt“ gewesen, Israel habe „einseitige Maßnahmen gegen den Iran ergriffen“. Und Rubio verzichtete sogar auf die obligatorischen Solidaritätsadressen an Israel.

Trump allerdings bezeichnete die Angriffe nach einer für seine Verhältnisse ewig andauernden Schweigephase als „exzellent“ – und er kündigte an, dass da „noch viel mehr kommen“ werde. Das wiederum klang dann so, als reklamiere der Präsident den Erfolg der Anschläge für sich selbst.

Trump will nicht in Krieg hineingezogen werden

Was also will Washington? Mit Sicherheit will Trump nicht in diesen Krieg hineingezogen werden. Der Präsident will sich noch immer als Friedensstifter inszenieren. Das allerdings ist ihm mit seinem kurzatmigen Politikansatz schon in der Ukraine nicht gelungen, wo sich Russlands Präsident Wladimir Putin als weitaus gewiefter erwies als der vermeintlich so große Dealmaker im Weißen Haus.

Verwandte Themen Donald Trump Israel USA Iran Ukraine Außenpolitik

Es war Trump, der während seiner ersten Amtszeit 2018 leichtfertig aus dem Atomvertrag mit dem Iran ausgestiegen ist. Als „schlechtesten Deal aller Zeiten“ hatte er ihn bezeichnet. Heute wäre Trump froh, könnte er wieder an diese Verhandlungen anschließen. Mit der jüngsten Eskalation dürften die Versuche, das iranische Atomprogramm mit friedlichen Mitteln einzuhegen, vorerst gescheitert sein.

Am Ende gilt, dass nur Diplomatie und strategische Weitsicht helfen können, Stabilität in jener Region schaffen, die die Weltdiplomatie seit Jahrzehnten in Atem hält. Mit militärischen Mitteln eine Friedensordnung im Nahen Osten zu schaffen, wie es Netanjahu offenbar vorschwebt, wird nicht funktionieren. Das Gleiche gilt übrigens für den Palästinakonflikt. Ihn militärisch beenden zu wollen, ohne ihn politisch zu lösen, ist nichts als politische Hybris.

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