Kommentar: ITA-Übernahme: So richtig die Entscheidung der Lufthansa auch ist, so riskant ist sie auch


Soll die italienische Airline bald schwarze Zahlen schreiben, muss sich die Lufthansa-Führung das Streckennetz sehr genau anschauen.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr scheint endlich am Ziel zu sein. Auch wenn der finale Vertrag für den Einstieg beim Alitalia-Nachfolger ITA noch nicht unterzeichnet ist, der Übernahme der Fluggesellschaft mit ihrem Heimat-Drehkreuz in Rom steht im Grunde nichts mehr im Weg.
Die italienische Regierung will Europas größte Airline-Gruppe, die Gewerkschaften wollen sie wohl auch. Und die EU-Kommission wird vielleicht für einige Strecken ein paar Auflagen machen. Aber die Kartellwächter in Brüssel werden froh sein, wenn hinter dem Dauerthema Alitalia/ITA nach jahrelangen Subventionen durch den Staat endlich ein Haken gesetzt werden kann.
Alles gut also? Mitnichten. Sosehr das Streben nach mehr Präsenz in Italien und einer eigenen Airline in dem Land nachzuvollziehen ist, so groß sind auch die Risiken. Jetzt kommt es darauf an, dass der Konzernspitze rund um Spohr die Integration gelingt. Denn das ist alles andere als selbstverständlich.
Italien ist unbestritten ein wichtiger Luftfahrt-Markt in Europa. Dass es wichtig ist, dort mitzumischen, ist richtig. Ebenso wie die Entscheidung, diesen Markt nicht einem Wettbewerber zu überlassen. Auch ist ITA als Fluggesellschaft nicht sehr groß. Sie in die Lufthansa-Gruppe zu integrieren dürfte per se kaum schwieriger sein, als nach der Übernahme die Integration von Brussels Airlines oder der österreichischen AUA war. Selbst der Kaufpreis wird wohl überschaubar bleiben.
Doch der ITA-Deal ist nicht mit vorherigen Transaktionen der Lufthansa zu vergleichen. In Belgien und Österreich konnte sich das Management auf stabile Regierungen verlassen, die zu ihrem Wort standen. Dennoch dauert es bis heute, aus Brussels und AUA echte Perlen für die Gruppe zu machen. Immerhin: AUA hat das vergangene Geschäftsjahr wohl mit einem Gewinn abgeschlossen - etwas, was der Kernmarke Lufthansa nicht gelang.
ITA ist nicht mit den Zukäufen von Brussels und AUA vergleichbar
Ganz anders ist die Situation in Italien. Zwar hat Regierungschefin Giorgia Meloni Lufthansa Zugeständnisse gemacht, wie es in den langen Jahren zuvor noch kein italienischer Staatschef getan hat. Noch vor einigen Monaten hätte das kaum einer der rechtsnationalen Politikerin zugetraut. Italien werde seine Airline nicht ans Ausland verschenken, schon gar nicht an die Deutschen, hatte Meloni im Wahlkampf gepoltert.
Doch genau das bereitet Sorgen. Wie verlässlich sind Zusagen von einer Regierung, die eine nationalistische Politik verfolgt? Was passiert, wenn das aktuelle Bündnis in Rom wieder auseinanderbricht, wie schon so häufig in der Geschichte des Landes? Sicher ist in Italien nichts, so viel ist sicher.
Wie belastbar das ist, was vereinbart wurde, wird sich schnell zeigen. ITA schreibt rote Zahlen. Längere Zeit Verluste in Italien zu tragen kann Lufthansa nicht akzeptieren. Das Management braucht das Geld, um die Schulden zu tilgen. Und es braucht die Mittel, um den eigenen Betrieb zu stabilisieren und das Personal aufzustocken.





Also muss die Lufthansa-Spitze schnell damit beginnen, ITA so umzubauen, dass der Neuerwerb sich selbst finanzieren kann. Lufthansa muss sich das bestehende Streckennetz und die Flottenplanung anschauen. Schmerzhafte Einschnitte sind zu erwarten und könnten bei den italienischen Gewerkschaften für Aufruhr sorgen. Die Arbeitnehmervertretungen mögen sich Lufthansa als neuen Eigner der ITA gewünscht haben. Doch das heißt noch lange nicht, dass sie auf ewige Zeit zahm bleiben werden.
Soll ITA eine erfolgreiche Akquisition werden, muss die Lufthansa-Führung in Italien mehr Härte zeigen, als sie das bei den früheren Zukäufen getan hat. Das heißt auch: Im Zweifel muss der Konzern dazu bereit sein, sich aus Italien wieder zurückzuziehen, wenn in Rom mal wieder alles anders kommt als gedacht.
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