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KommentarKaufprämie oder Dividende: BMW, Daimler und VW müssen sich entscheiden

Die drei Konzerne sind noch einige Monate flüssig. Sollte sich die Politik zu einer Absatzhilfe durchringen, dann nur gegen die Zusicherung, dass Dividenden zumindest gekappt werden.Markus Fasse 05.05.2020 - 04:00 Uhr

Die Krise setzt Autobauer unter Druck.

Foto: dpa

Wenn die Bundeskanzlerin am Dienstag die Autoindustrie zum Gespräch lädt, dann ist der Tenor gesetzt. Sechs Wochen stand die Branche still, kein Auto wurde verkauft. Zehntausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit, Hunderte Zulieferer kämpfen um die Existenz.

Zwar fahren BMW und Daimler, Volkswagen und Ford ihre Produktion wieder an, doch die Vorzeichen sind schlecht. Die Erwartungen an Aufträge und Export sind abgestürzt, meldete das Ifo-Institut am Montag. Noch nie war die Lage so düster.
Die Branche trommelt für ein ganz spezielles Anliegen. „Wir wären für eine Kaufprämie“, sagt Daimler-Chef Ola Källenius. VW-Boss Herbert Diess meint, die Prämie solle „unabhängig von der Antriebsart für das gesamte Produktangebot“ ausgelobt werden, damit auch Diesel- und Benzinmotoren genügend Abnehmer fänden.

Traton-Chef Andreas Renschler mahnt, neben den Autos auch die Lastwagen nicht zu vergessen. Und VDA-Chefin Hildegard Müller gibt der Diskussion die finale Richtung vor: „Sobald eine Debatte stattfindet, ob eine Kaufprämie wirklich kommt, warten die Verbraucher natürlich ab, bis die Prämie tatsächlich kommt.“

Nun könnte die deutsche Politik sagen: Was schert uns das? – Mit derselben Logik könnten auch die Hersteller von Kühlschränken oder Rasenmähern eine staatliche Kaufprämie fordern. Und potenzielle Interessenten für Rasenmäher oder Kühlschränke könnten sich fragen, warum der Staat nicht auch ihre Käufe subventioniert.

Der Umwelt wäre vielleicht ebenso gedient, wenn die neuen Geräte für Küche und Garten leiser oder stromsparender wären. Warum sollte der Allgemeinheit der Kauf eines neuen Autos lieber sein als der eines neuen Kühlschranks?

Wichtiger Arbeitgeber

Weil neue Autos das Gemeinwohl besser fördern, antwortet die Lobby. Schließlich kommen fast alle Konsumgüter, vom Kühlschrank über das Handy bis zum Turnschuh, mittlerweile aus Asien.

Ein Großteil der Autos wird aber noch in Deutschland und im angrenzenden Ausland entwickelt und gebaut. Von Niedersachsen bis Niederbayern ist die Autoindustrie der wichtigste Arbeitgeber und Steuerzahler.

Die Branche ist zentral für die verbliebenen Chemiestandorte, für große Teile der Metall- und Elektroindustrie und die industrienahen Dienstleistungen. Webdesigner, Industriefotografen und Agile Coaches wissen, dass am Ende sehr oft die Autoindustrie und ihre Zulieferer ihre Auftraggeber sind.

Immerhin hat man in Deutschland Erfahrung. Als in der Finanzkrise die Bänder stillstanden, half die sogenannte Abwrackprämie, den Autokauf wieder anzuschieben. Zwar hatten Ökonomen im Nachhinein Zweifel, ob das Instrument wirklich so wirkungsvoll war wie von der Industrie behauptet.

Psychologisch gilt die Abwrackprämie von 2009 jedoch als Wendepunkt der Krise. Am Ende profitierte damals nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa von der Gesundung seiner Schlüsselindustrie.

Doch die Coronakrise ist größer, und die Vorzeichen sind anders. Die Autoindustrie steckt mitten in der Transformation zur Elektromobilität. Kaufprämien für Stromautos gibt es schon. Seit November subventioniert die Bundesregierung gemeinsam mit den Herstellern den Erwerb von Elektro- und Hybridantrieben mit bis zu 6000 Euro – auch um der Industrie milliardenschwere Strafzahlungen zu ersparen, die Klimasündern in der EU drohen.

Menschen sind sensibler geworden

Nun sollen aber bei historisch niedrigen Spritpreisen auch Diesel und Benziner mit Kaufprämien gefördert werden, fordert die Industrie. Sollte sich die Politik dazu entschließen, muss sie aufpassen, damit keinen neuen SUV-Boom zu subventionieren.

Eine Möglichkeit wäre es parallel aber, konsequent den Steuervorteil für Diesel abzubauen. Es ist eine Forderung, die Matthias Müller, Vorgänger von VW-Chef Herbert Diess, schon 2017 erhoben hat. Und die Idee ist nach wie vor richtig.

Anders als 2009 befinden sich zumindest die drei großen Konzerne auch nicht in einer finanziellen Notlage. Volkswagen verfügt über rund 25 Milliarden Euro an liquiden Mitteln, Daimler über 18 Milliarden und BMW über mindestens zwölf Milliarden. Mehrere Zehntausend Beschäftigte erhalten von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld.

Selbst wenn kein Auto verkauft würde, wäre man bis weit in den Herbst noch flüssig. Wer auf so viel Geld sitzt, sollte den Markt eigentlich selbst anschieben können. Doch die Konzerne schütten lieber aus: BMW will für das abgelaufene Geschäftsjahr 1,64 Milliarden Euro an seine Aktionäre zahlen, die Hälfte der Summe geht an die Familien Quandt und Klatten. VW und Daimler halten ebenfalls an den Ausschüttungen fest.

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Es ist noch nicht zu spät, die Dinge zu korrigieren. Sollte sich die Politik durchringen, eine neue Kaufprämie auszuloben, dann nur gegen die Zusicherung, Dividenden mindestens zu kappen.
Denn auch das ist anders in dieser Krise: Die Menschen sind sensibler geworden für Fragen von Solidarität und Gerechtigkeit. Politik und Autoindustrie sollten dieses Empfinden ernst nehmen.

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