Kommentar: Klingbeil steckt bei Commerzbank-Übernahme in der Zwickmühle

Zumindest auf den ersten Blick hat die Gewerkschaft Verdi einen natürlichen Verbündeten an der Spitze des Finanzministeriums. Wenn Verdi zusammen mit dem Betriebsrat der Commerzbank vor der Hauptversammlung für die Selbstständigkeit von Deutschlands zweitgrößter börsennotierter Bank protestiert, dürften sie bei Lars Klingbeil (SPD) Gehör finden.
Die Vermutung liegt nahe: Der gewählte Finanzminister will wohl kaum durch eine seiner ersten Amtshandlungen den Abbau Tausender Arbeitsplätze in Deutschland verantworten, indem er die Übernahme der Commerzbank durch die italienische Unicredit einfach durchwinkt.
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Doch Klingbeil sollte sich die Entscheidung über die Zukunft der Commerzbank nicht zu einfach machen. Als Finanzminister ist er verpflichtet, sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen. Auch auf europäischer Ebene könnte Klingbeil eine vorschnelle Entscheidung schaden.
Ob Blockade oder grünes Licht: Die Entscheidung über die Zukunft der Commerzbank wird zur ersten Bewährungsprobe für den neuen Finanzminister.
Politisch opportun wäre es vermutlich, den Übernahmeversuch von Unicredit-Chef Andrea Orcel zurückzuweisen. Orcel ist ein Investmentbanker, wie er im Buche steht. Warum sollte ein sozialdemokratischer Politiker diesem hochbezahlten Manager einen solchen Triumph gönnen?
Klingbeil muss Commerzbank-Aktie im Blick haben
Allerdings ist Klingbeil gut beraten, auch den Argumenten Orcels Gehör zu schenken. Denn der Bund muss aus der Beteiligung an der Commerzbank aussteigen, die in der Finanzkrise aufgebaut wurde, als die Bank mit Steuergeld gerettet wurde. Orcel dürfte der Bundesregierung eine schnelle Exit-Option bieten, die darüber hinaus die Verluste des Steuerzahlers durch die Rettungsaktion begrenzen dürfte.
Sollte sich die Unicredit aus dem Übernahmepoker zurückziehen, droht ein Einbruch der Commerzbank-Aktie – und damit auch des Wertes der verbliebenen Bund-Beteiligung. Klingbeil müsste hoffen, dass es Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp gelingt, den Aktienkurs langfristig über ein potenzielles Angebot von Unicredit zu heben. Der Ausstieg des Bundes dürfte sich um Jahre nach hinten verschieben.
Auch das Arbeitsplatzargument greift nur zum Teil: Orcel verspricht, die Kürzungen bei einfachen Bankangestellten gering zu halten. Stattdessen will er die Privilegien der hochbezahlten Banker in der Zentrale abbauen. Als Sozialdemokrat kann Klingbeil dem wenig glaubhaft entgegensetzen.
Und auch auf europäischer Ebene könnte Klingbeil eine Blockade schwächen. Die Politik wird nicht müde, die Bedeutung einer Bankenunion in Europa zu betonen. Doch mit einer Blockade des Unicredit-Deals würde Klingbeil dieses wichtige europäische Projekt beschädigen.
Erstpublikation: 07.05.2025, 09:56 Uhr.