Kommentar: Leoni-Verkauf nach China muss Konsequenzen haben


So verständlich die Kritik an den Vorgängen rund um den Verkauf des angeschlagenen Autozulieferers Leoni nach China auch ist, eins vorneweg: Seinen Hauptzweck hat das umstrittene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRug) erst einmal erfüllt: Leoni ist der Insolvenz entgangen. Die Arbeitsplätze und die Standorte sind vorerst gesichert, die Autobauer werden weiter mit Bordnetzen beliefert.
Und doch hinterlässt der Vorgang mehr als nur einen faden Beigeschmack. Immer wieder war betont worden, wie systemrelevant der Zulieferer für die Autoindustrie ist. Eine Insolvenz sollte unbedingt vermieden werden. Das ist für einen hohen Preis gelungen – und dann wird das Unternehmen schnell ausgerechnet nach China weiterverkauft.
Angesichts der geopolitischen Spannungen und der Diskussionen, wer in Zeiten der Transformation künftig in der Autoindustrie dominieren wird, ist das ein bemerkenswerter Vorgang. Bei einem anderen Käufer würden die Diskussionen über Leoni wohl weniger emotional ausfallen. Doch ist die Auseinandersetzung über das StaRug so oder so notwendig. Schließlich steht mit dem schlingernden Batteriespezialisten Varta schon der nächste Fall vor der Tür.
Die Kleinaktionäre sind der größte Verlierer
Leoni war durch eigene Managementfehler – eine ungestüme Expansion in aller Welt – und geopolitische Verwerfungen in Not geraten. Für solche Fälle war das vor drei Jahren geschaffene StaRug gedacht. Ein Unternehmen mit einem grundsätzlich funktionierenden Geschäftsmodell sollte vor der Insolvenz bewahrt werden. Das Verfahren lässt sich schnell und diskret umsetzen.
Doch der größte Verlierer sind nicht nur im Fall Leoni die Kleinaktionäre. In einem für sie wenig transparenten Verfahren können sie einen Totalverlust erleiden, während die Gläubiger wenigstens mit einem Schuldenschnitt davonkommen. Großaktionäre wie Stefan Pierer können nach dem Kapitalschnitt auf null sogar wieder einsteigen.
Es ist richtig, dass Aktieninvestoren immer das Risiko des Totalverlusts eingehen. Dennoch gilt: Wenn nachhaltig der Eindruck entsteht, dass sich mit dem StaRug andere Beteiligte auf Kosten der Kleinanleger retten oder gar einen guten Schnitt machen, kann das die Aktionärskultur nachhaltig beschädigen.

Daher muss das Gesetz mit den Erfahrungen der ersten drei Jahre noch einmal mit allen Beteiligten diskutiert und überarbeitet werden. Eine Möglichkeit wäre, den Kleinanlegern ein Instrument ähnlich einem Besserungsschein zu geben.
Alternativ könnte es sinnvoll sein, auch ihnen die Option zu bieten, zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzusteigen. Einfach wird das nicht. Bei jeder Lösung sollte bedacht werden, dass das Verfahren nicht zu kompliziert und damit die Rettung erschwert wird.
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