Kommentar: Lkw-Fahrermangel: Da hilft nur noch Digitalisierung
In Deutschland stockt die fahrersparende Technologie.
Foto: ReutersBislang ähnelte es einem Spielplatz nerdiger Tüftler. Im April 2016 rollten Lkw-Paare der Hersteller MAN, Scania, DAF, Iveco, Volvo und Daimler per Sternfahrt in Richtung Rotterdam. Das hintere Fahrzeug war per WLAN, Radar und GPS mit dem jeweiligen Führungs-Lkw gekoppelt, was den zweiten Fahrer zum untätigen Statisten degradierte.
Drei Jahre später starteten MAN und DB Schenker auf der Autobahn A9 zwischen München und Nürnberg einen Langzeitversuch. Sieben Monate erprobten sie die elektronische Kopplung mehrerer Trucks, von Fachleuten als Platooning bezeichnet. Der Fahrer des ersten Lkw gab Tempo und Richtung vor, die übrigen folgten ihm automatisiert. Die Lenk- und Bremskommandos übertrugen WLAN und G5-Funk auf die nachfolgenden Fahrzeuge, sodass bei Notbremsungen kein Auffahrunfall drohte.
Seither ist es ums (teil-)autonome Lkw-Fahren, abgesehen von einem überschaubaren Test im Hamburger Hafen, ruhig geworden. Es gebe kein Geschäftsmodell, heißt es in der Branche. Zudem seien die juristischen Rahmenbedingungen, falls es nicht wie auf der A9 eine Ausnahmegenehmigung des bayerischen Verkehrsministers gibt, für solche Fahrten unzureichend. Dass deutschlandweit die technischen Voraussetzungen – allen voran die Abdeckung mit dem Mobilfunkstandard 5G – lückenhaft sind, kommt erschwerend hinzu.
Doch die Sache mit dem Geschäftsmodell sollten sich Transportunternehmen abermals überlegen, und auch dem Rechtsrahmen täte eine Modernisierung gut. Denn mittelfristig droht den Logistikern die wichtigste Ressource auszugehen: die Fahrer. 60.000 bis 80.000 von ihnen fehlen in Deutschland, wobei die Lücke Jahr für Jahr um 15.000 wächst. Schon jetzt lässt sich anhand solcher Zahlen errechnen, wann es bei uns zu Verhältnissen wie in Großbritannien kommt. Dort bleiben Supermarktregale und Zapfsäulen leer, weil im Lande 100.000 Trucker fehlen.
Eine Imagekampagne in Deutschland dürfte kaum reichen, die Zahl der Straßenkapitäne wieder nach oben zu bewegen. Bescheidene Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und die Billigkonkurrenz ausländischer Transportunternehmen sprechen dagegen.
Helfen könnte stattdessen neben dem Platooning, die Lkw-Fahrten per Digitalisierung gleich zu reduzieren. Bedenkliche 28 Prozent der fast 24 Milliarden Lkw-Kilometer auf Deutschlands Straßen, meldete jetzt das Bundesverkehrsministerium, wurden 2020 leer gefahren. Der professionelle Einsatz elektronischer Frachtbörsen, die Ladung auch für Rückfahrten vermitteln, könnte die Quote drastisch reduzieren. Wer sich als Spediteur aber wie die meisten auf sein Faxgerät verlässt, den bestraft der Fahrermangel.