Kommentar: Macrons China-Aussagen sind ein Fauxpas – dürfen aber auch nicht überinterpretiert werden


Äußerungen nicht überinterpretieren.
Nach den Äußerungen von Emmanuel Macron zur europäischen China-Politik gingen die Kommentatoren in Deutschland mit dem französischen Präsidenten hart ins Gericht. Macron habe wohl den Verstand verloren, mutmaßten manche mit Blick auf Interviews, die als französische Distanzierung von den Vereinigten Staaten interpretiert wurden.
Doch es lohnt ein unaufgeregterer Blick auf die Kontroverse: Macrons Worte waren ohne Zweifel unglücklich gewählt, der Zeitpunkt der Aussagen ein außenpolitischer Fauxpas. Im Kern hat Macron mit seiner Forderung nach einer „strategischen Autonomie“ der Europäer aber nichts Neues gesagt.
Die weltpolitischen Gedankengänge des Präsidenten erschienen über die Ostertage zunächst in der französischen Wirtschaftszeitung „Les Échos“ und blieben weitgehend unbeachtet. Erst als das Nachrichtenportal „Politico“ ein Gespräch in englischer Übersetzung veröffentlichte, schwoll die Empörung an.
Macrons Mantra von der „souveränen EU“
In beiden Interviews sprach Macron über die Position Europas in der wachsenden Auseinandersetzung zwischen den USA und China. Der Präsident wirbt seit jeher für eine „souveräne EU“, die ihre wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Abhängigkeiten reduzieren müsse. In seinem Pochen auf Unabhängigkeit unterscheidet er sich von der stärker transatlantisch geprägten Sichtweise in Deutschland.
Eine Äquidistanz zu Washington und Peking oder eine Loslösung von den USA fordert Macron dagegen nicht – was ihn im Übrigen von den politischen Kräften am linken und rechten Rand der französischen Politik unterscheidet.
In seinen österlichen Interviews hat der französische Präsident keine Änderung dieser Position verkündet. Bei den Formulierungen ließ er aber diplomatisches Fingerspitzengefühl vermissen, gerade auch was den Zeitpunkt angeht.
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Macron äußerte sich auf der Rückreise von einem China-Besuch, bei dem die mitgereiste Wirtschaftsdelegation gute Geschäfte gemacht hatte. Das chinesische Militär startete derweil eine groß angelegte Militärübung rund um Taiwan. Der französische Präsident verpasste es, die Drohgebärden Pekings klar zu verurteilen.






Stattdessen warf er die Frage auf, ob Europa ein Interesse an einer Eskalation des Taiwan-Konflikts habe. Er warnte davor, dass die Europäer als „Mitläufer“ vom „amerikanischen Rhythmus“ und einer „chinesischen Überreaktion“ abhängig würden.
Schließlich sagte Macron, dass Europa seine Prioritäten nicht „an der Agenda der anderen“ ausrichten sollte – auch bei „Krisen, die nicht die unseren sind“. Angesichts der amerikanischen Unterstützung, die Europa im Ukrainekrieg erfährt, waren diese Äußerungen mehr als unsensibel.
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