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KommentarManagen auf Zeit: Die neuen Wanderarbeiter

Das Interim-Management flexibilisiert die Arbeit in den Topetagen. Es sollte aber viel transparenter und auf nachhaltigen Erfolg angelegt sein.Tanja Kewes 20.06.2023 - 18:03 Uhr
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Das Interim-Management bietet großes Potenzial für die Flexibilisierung der Arbeit in den Führungsetagen.

Foto: Moment/Getty Images

Die Zeitarbeit, sie galt lange als eine Art kleines Schmuddelkind der Wirtschaft. Sogenannte Leiharbeitsfirmen vermittelten gelernte und ungelernte Kräfte in die Fabriken und an die Supermarktkassen dieser Republik. Weil die Provisionen häufig horrend, die Stundenlöhne aber gering waren, hatte die Branche nicht das beste Image.

Die Zeiten haben sich gewandelt. Inzwischen ist der Fachkräftemangel so umfassend, dass ohne diese mobilen Einsatzkräfte in vielen Branchen nicht mehr viel funktionieren würde. Selbst in Schulen und Kindertagesstätten sind Erzieher und Lehrkräfte inzwischen auf Zeit engagiert. Und damit nicht genug.

Die große Schwester der Zeitarbeit, das Interim-Management, also der Einsatz von Topmanagern auf Zeit, gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Die Branche übertrifft derzeit einer repräsentativen Studie von Heuse Management zufolge ihre eigenen, sowieso schon positiven Prognosen. 2022 war demnach das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Interim-Managements in Deutschland.

Wie viel Potenzial im Vermitteln und Verleihen von Topmanagern steckt, zeigt sich auch in zwei Transaktionen. So übernahm die größte deutsche Strategieberatung Roland Berger im Februar das Team der Münchener Managementberatung Candidus, um sich im Wachstumsfeld Interim-Management“ klarer zu positionieren. Zudem verstärkte sich die international tätige Personalberatung Heidrick & Struggles mit dem deutschen Marktführer im Interim-Management, Atreus.

Der vermehrte Einsatz von Managern auf Zeit ist einerseits ein positives Signal. Schließlich stehen sie für die Flexibilisierung der Arbeitswelt, die es schließlich nicht nur in den unteren Gehaltsklassen braucht. Flexibilität in den Führungsetagen ist gerade auch im deutschen Arbeitsrecht ein Thema.

Interim-Manager agieren häufig wie Feuerwehrleute

Lange Kündigungsfristen und Verbote, bei Wettbewerbern aktiv zu werden, sorgen dafür, dass Monate, wenn nicht gar ein bis eineinhalb Jahre vergehen können, bis ein neuer Vorstand oder Geschäftsführer aktiv werden kann. Zudem möchten auch immer mehr Manager Arbeit und Leben kombinieren und gönnen sich Auszeiten für Familie, Gesundheit oder soziale Projekte. In der Zwischenzeit müssen dann entweder Kollegen die Themen übernehmen, oder es wird eben ein Manager auf Zeit engagiert.

Hinzu kommt: Spezielle Aufgaben wie Transformationen und Restrukturierungen erfordern vielerorts Blitzeinsätze. Interim-Manager agieren dabei häufig wie Feuerwehrleute. Sie werden erst engagiert, wenn die Bude lichterloh brennt; wenn also eine Firma oder ein Geschäftssegment dringend transformiert, restrukturiert oder saniert werden muss. Das kann heißen, dass die Finanzierung gesichert, Standorte verlagert oder Mitarbeiter abgebaut werden müssen - häufig am besten gleich alles zusammen.

Für solche Schritte sind die amtierenden Manager häufig weder fachlich noch emotional die beste Wahl. So brauchen Interim-Manager vor allem Wissen aus den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, Personal, IT, Controlling und Produktion. Es handelt sich bei Interim-Managern deshalb häufig um erfahrene Manager, die sich auf kurzfristige Einsätze spezialisiert haben oder sich neu orientieren möchten, oder um Berater, die ihre Projekte auch umsetzen möchten und dafür einige Monate ins Organ gehen.

Es sind gerade die Mandate als Chief Restructuring Officer, die derzeit „beliebt“ sind. So erfolgten mehr als die Hälfte der Einsätze der Heuse-Studie zufolge 2022 in den derzeit krisengeschüttelten Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Automobil, Metall- und Elektroprodukte sowie Pharma. Die Restrukturierung zählt inzwischen zudem neben klassischer Projektarbeit, der Abdeckung von zusätzlichem Managementbedarf und Überbrückung einer Vakanz zu den häufigsten Gründen für das Engagement eines Interim-Managers.

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt ist nicht nur positiv zu werten

Die Namen und Einsatzorte der Interim-Manager der vergangenen Jahre sind so vielfältig wie die deutsche Wirtschaft. Sie waren und sind unter anderem aktiv bei Bahlsen, Vapiano, Leoni, Benteler, der Schottel-Gruppe, AMC/UCI, Universitätsmedizin Mainz, Matratzen Concord. Wer was wie auf Zeit managt, wird dabei bis auf wenige Ausnahmen nicht kommuniziert.

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt in den Führungsetagen ist andererseits nicht nur positiv zu werten. Die Wanderarbeiter der Führungsetagen und vor allem auch ihre Vermittler sind ähnlich geheimnistuerisch unterwegs wie ihre große Schwester, die Zeitarbeit(er). Sie müssen zudem auch noch den empirischen Beweis erbringen, dass sie für nachhaltigen Erfolg stehen und nicht nur schnell, schnell managen und dann wieder weg sind, wenn die Ergebnisse und auch negative Begleiterscheinungen zutage treten.

Zudem ist eine größtmögliche Unabhängigkeit gerade bei harten Schnitten zwar häufig gut für die Sache. Ist sie aber auch gut für die Menschen und den nachhaltigen Erfolg? Es lässt sich ohne persönliche Beziehungen zu einem Unternehmen, seiner Belegschaft und seiner Geschichte schließlich sicher schneller und härter durchgreifen. Weniger Beziehungen befreien.

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Es darf bei Transformationen und Restrukturierungen aber auch nicht zu radikal zugehen. Das ist schlecht für das Image und damit kurz- bis langfristig schlecht für das Geschäft. Ein zu wenig zukunftsorientiertes Vorgehen eines Interim-Managers getreu dem Motto „Nach mir die Sintflut!“ rächt sich spätestens bei der Akquise neuer Aufträge oder beim Recruiting neuer Mitarbeiter.

Das Interim-Management bietet damit großes Potenzial für die Flexibilisierung der Arbeit in den Führungsetagen - vor allem auch in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Engagements sollten aber noch viel transparenter und auf nachhaltigen Erfolg angelegt sein. Denn: Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es sich vielleicht ungeniert, arbeitet es sich sicher aber nicht.

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