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KommentarManagergehälter: Die Mär vom freiwilligen Verzicht

In der anstehenden Saison der Aktionärstreffen werden Managergehälter wieder eine große Rolle spielen. Das Vergütungssystem funktioniert einfach nicht.Dieter Fockenbrock 03.02.2020 - 04:08 Uhr

Der Chef der Deutschen Bank steht in der Kritik.

Foto: Bloomberg

Für Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, geben die Schlagzeilen zum gerade präsentierten vorläufigen Jahresabschluss einen Vorgeschmack auf das, was ihn und sein achtköpfiges Vorstandsteam im Mai auf der Hauptversammlung erwartet: „Millionenboni für Milliardenverlust“, das lässt wahrlich keine angenehme Diskussion mit den Aktionären erwarten.

Das Unverständnis darüber, warum selbst in Jahren tiefroter Zahlen Erfolgsprämien gezahlt werden, wird einmal mehr Anlass für scharfe Attacken sein. Dabei hat die Deutsche Bank ganz andere Probleme.

Selbst der Versuch, der Kritik die Spitze zu nehmen durch einen „freiwilligen“ Teilverzicht auf Boni, zieht nicht. Im Gegenteil: Sewing und Co. müssen sich jetzt noch fragen lassen, warum sie ihre Erfolgsvergütung angesichts des desaströsen Ergebnisses nicht gleich komplett streichen.

Das Management der Deutschen Bank wird in diesem Jahr nicht allein Ziel sein für massive Kritik an der Vergütung. Die Frage nach der Angemessenheit der Gehälter dürfte auf vielen Hauptversammlungen eine große Rolle spielen.

Kurioserweise geben ausgerechnet die gut gemeinten Umbauten der vergangenen Jahre Anlass dazu. Vergütungssysteme wurden auf Langfristigkeit getrimmt. Mit der Folge, dass Prämien stabil bleiben, obwohl eine schwächelnde Weltwirtschaft und andere Gründe das Ergebnis und die Ertragsperspektiven der Unternehmen längst versauern. Optisch laufen da unternehmerische Wirklichkeit und die Gehaltskonten der Vorstände auseinander. Das fordert Widerspruch heraus.

Es dürfte spannend werden. Die Zweite Aktionärsrechterichtlinie der EU zwingt Unternehmen dazu, Vergütungen auf noch mehr Nachhaltigkeit auszurichten. Beinahe alle führenden deutschen Aktiengesellschaften werden ihre Vergütungssysteme erneut modifizieren und zur Abstimmung in den Hauptversammlungen stellen müssen.

Und ab dem nächsten Jahr müssen sie dann auch noch damit rechnen, dass Aktionäre versuchen werden, bereits festgezurrte Boni und Tantiemen wieder zu kippen. Auch das ist eine Neuerung durch die EU-Richtlinie.

Am Freitag machte der angeschlagene Industriekonzern Thyssen-Krupp nicht nur den Auftakt zur Hauptversammlungssaison 2020, sondern er machte auch gleich eigene Erfahrungen. Im Zentrum der Kritik stand unter anderem die Abfindung über sechs Millionen Euro für Interimschef Guido Kerkhoff.

Nachhaltiges Wirtschaften sieht anders aus

Ausgerechnet jetzt, wo das Management des Ruhrkonzerns den Beschäftigten harte Zugeständnisse abverlangt, ist mit Kerkhoff wenige Monate zuvor ein Fünfjahresvertrag abgeschlossen worden. Nachhaltiges Wirtschaften sieht anders aus. Kerkhoffs goldener Fallschirm und die systembedingt hohen Boni werden juristisch einwandfrei sein. Aber sie beweisen eben auch, dass jahrelangen Optimierungsversprechen wenig Erfolg beschieden ist.

„Freiwilliger“ Verzicht, den die Manager der Deutschen Bank nicht zum ersten Mal üben, ist keine lobenswerte Einsicht, sondern das Eingeständnis, dass das Vergütungssystem nicht funktioniert. Dazu sei daran erinnert, warum überhaupt kurz- und langfristige Prämien gezahlt werden. Sie sollen Manager anleiten und dafür belohnen, dass sie im Sinne der Unternehmensziele erfolgreich arbeiten.

Diese Aufgabe scheinen viele Systeme aber nicht zu erfüllen. Und wenn sie doch einmal funktionieren, dann werden sie abgeschafft. Der Reisekonzern Tui liefert dafür gerade ein skandalöses Beispiel. Kaum fällt die Prämie des Vorstandschefs Friedrich Joussen für das wenig erfreuliche Geschäftsjahr 2019 aus, bastelt der Aufsichtsrat unter Leitung von Ex-Daimler-Lenker Dieter Zetsche ein neues System, das genau diesen Ausfall verhindern soll.

Begründung: Die nächsten Jahre werden nicht besser. Aber was bitte ist das für eine Begründung? Aktionäre werden sich ohnehin darauf einstellen müssen, dass sie eher an einem Restrukturierungsfall beteiligt sind als an einem Hotspot.

Ein Großteil der führenden deutschen Aktiengesellschaften ist Sanierungskandidat. Vorneweg Deutsche Bank und Commerzbank, die sich global in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet und noch keine Antwort auf die Digitalisierungswelle gefunden haben.

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In der Industrie sieht es nicht besser aus. Die einst vor Kraft strotzenden Energiekonzerne wie RWE und Eon sind nur ein Schatten ihrer selbst, Thyssen-Krupp kämpft ums Überleben. Linde hat sich ins Ausland geflüchtet, Siemens zerlegt sich gerade selbst. Noch dramatischer ist der Umbau im Automobilsektor. BMW, Daimler und VW mögen ihn vielleicht überleben, Dutzende Zulieferer aber nicht.

Diesen Sanierungsdruck haben aktivistische Investoren mit Sicherheit längst identifiziert. Die Schwächen deutscher Unternehmen sind zu offensichtlich. Schlecht gemachte Vergütungssysteme sind dabei ein beliebter Angriffspunkt. Und die neuen gesetzlichen Regeln werden es diesen aggressiven Fonds leichter machen, Allianzen mit unzufriedenen Aktionären zu schmieden. Dagegen hilft nur ein sturmfestes Vergütungssystem.

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