Kommentar: Mehr Verantwortung, mehr Lob – Robert Habeck überzeugt die deutsche Wirtschaft

Der Minister, den die Unternehmer schätzen.
Es ist nicht lange her, da war es für weite Teile der Wirtschaft eine Schreckensvision: ein grüner Politiker, der das Bundeswirtschaftsministerium übernehmen könnte. Die Forderungen nach Atomausstieg sowie umfassendem Umwelt- und Klimaschutz betrachteten Unternehmer und Manager als Angriff auf ihre Gewinne und schlichtweg wirtschaftsfeindlich.
Seit Dezember gibt es nun einen grünen Wirtschaftsminister, und bezeichnenderweise hat Robert Habeck den Klimaschutz mit in seinen Titel aufgenommen. Noch dazu muss der grüne Bundeswirtschaftsminister seit dem russischen Überfall auf die Ukraine eine Krise managen, die Tausende Unternehmen in schwere Turbulenzen bringt. Er trägt damit mehr Verantwortung als viele seiner Vorgänger.
In der deutschen Wirtschaft ist aber erstaunlicherweise von der einstigen Furcht kaum noch was zu spüren. Im Gegenteil: Viele Unternehmer und Manager bringen dem 52-jährigen großen Respekt entgegen. Sie loben seinen Pragmatismus und erkennen, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz auch den ersten Teil seiner Aufgabenbeschreibung ernst nimmt.
Das hat zwei Gründe: Zum einen haben die meisten Unternehmer und Manager inzwischen erkannt, dass Umwelt- und Klimaschutz alternativlos sind. Ihre Geschäftsmodelle werden nicht durch die Energiewende gefährdet, sondern entscheidend ist die Frage, ob sie sich selbst aktiv auf die Bedrohung durch den Klimawandel einstellen und ihre Unternehmen zukunftsfähig machen. Es geht längst nicht mehr um das Ob der Energiewende, sondern um das Wie – und diese Umsetzung wird gerade einem grünen Wirtschaftsminister zugetraut. Diese Erkenntnis hat in vielen Fällen lange gedauert und war zum Teil sehr schmerzhaft, aber sie dominiert.
Kein Anlass zur Häme gegen Robert Habeck
Zum anderen stellt Habeck in diesen schwierigen Zeiten Pragmatismus vor Ideologie, wie es wohl lange Zeit einem grünen Wirtschaftsminister nicht zugetraut worden wäre – und wie es Habeck vermutlich auch noch in Erklärungsnot gegenüber seinen eigenen Wählern bringen wird. Die Standhaftigkeit, mit der Habeck die Forderungen nach einem Boykott russischer Gaslieferungen abblockt, wird mit Erleichterung registriert. Der Minister räumt selbst ein, dass dieser Schritt moralisch schwer zu erklären ist, und er weiß die Mehrheit der Bevölkerung in dieser Frage gegen sich. Aber er erkennt, dass ein abrupter Stopp der Lieferungen unkalkulierbare Folgen für viele Unternehmen, ganze Lieferketten und Millionen Arbeitsplätze haben würde.
Der grüne Minister bemüht sich aktiv in Katar um Lieferungen eines fossilen Energieträgers: verflüssigtes Erdgas (LNG). Die Szene, als Habeck sich vor dem Emir verbeugte, wurde mit viel Häme bedacht. Letztlich demonstrierte sie aber nur, wie der Minister die Verantwortung für die Wirtschaft über seine eigenen Überzeugungen stellt. Der grüne Minister ist bereit, Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen, und hat sogar die Option geprüft, Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen.



Die Lernkurve für Habeck könnte nicht steiler sein. Als er Anfang Dezember sein Amt antrat, hätten die Voraussetzungen für einen grünen Wirtschaftsminister nicht besser sein können. Die Kämpfe um Energiewende, Atom- und Kohleausstieg waren längst entschieden. Die Wirtschaft erwartete nur noch klare Ansagen, wie die Energiewende beschleunigt und zum Erfolg gebracht werden kann. Es ging um neue Solar- und Windparks, Genehmigungsverfahren für Stromnetze und die Frage, wie viele Gaskraftwerke gebaut werden müssen, um den Kohleausstieg zu kompensieren.
Jetzt muss Habeck erst einmal die Folgen des Ukrainekriegs für die Wirtschaft abfedern – und das macht er bisher bemerkenswert gut.
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