Kommentar: Merz ruft Ex-Commerzbank-Chef zu Hilfe


„Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?“ – Henry Kissingers Bonmot trifft noch heute auf Deutschland zu. Internationale Investoren werden hierzulande zunächst mit zig Zuständigkeiten konfrontiert: Die staatliche Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI, mehr als 90 Außenhandelskammern weltweit, dazu die Standortwerber der Bundesländer. Jeder will helfen, niemand trägt Verantwortung. Willkommen in der deutschen Bürokratie.
Die Folge: Kostbare Zeit wird vergeudet, Kapital geht verloren, Chancen werden verspielt. In einer Welt, in der Standortentscheidungen in Wochen fallen, wirkt Deutschlands kleinteiliges Zuständigkeiten-Karussell wie aus einer anderen Zeit.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) setzt deshalb auf einen Chief Investment Officer – eine zentrale Telefonnummer, einen Ansprechpartner für Investoren in Deutschland. Der frühere Commerzbank-Chef Martin Blessing, der auch internationale Bankerfahrung mitbringt, ist eine Toppersonalie für den Job des Investitionsbeauftragten.
Einziger Wermutstropfen: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) verliert als traditionell oberste Handelsvertreterin Deutschlands ein weiteres Stück ihrer Kompetenzen, nachdem sie schon Digitales und Raumfahrt an andere Ministerien abgeben musste.
Doch ein Aushängeschild allein repariert nicht die strukturellen Schwächen. Schon die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel wusste, dass es mehr Schlagkraft in der Außenwerbung braucht, als sie 2009 die Germany Trade & Invest (GTAI) gründete und dafür die „Invest in Germany GmbH“ und die „Bundesagentur für Außenwirtschaft“ zusammenlegte.
Heute ist der nächste logische Schritt überfällig: die Fusion der Außenhandelskammern mit der GTAI zu einer echten Investitionsagentur – statt föderaler Kleinstaaterei und Kompetenzwirrwarr.
Die Erwartungen der Wirtschaft sind gewaltig
Blessings Aufgabe ist gewaltig. Gerade hat Siemens-Chef Roland Busch klargestellt: „Wir investieren, jetzt muss die Bundesregierung handeln.“ Dabei kommt es nicht allein auf Blessing an. Kanzler Merz muss im angekündigten „Herbst der Entscheidungen“ liefern.
Auch bleibt abzuwarten, wie sich der Banker aufstellen darf. Bekommt er jenseits der notwendigen Zusammenlegungen den direkten Zugriff auf GTAI und die Außenhandelskammern?






Fatal wäre es jedenfalls, wenn Blessing Investoren an Land zieht und seine Arbeit im Bürokratie-Apparat versandet.






