Kommentar: Merz zeigt mit seinem Minister-Personal Mut zu neuen Wegen


Loyalität, Freundschaft und Kompetenz: Auf diesen Dreiklang lassen sich die Personalentscheidungen des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz reduzieren. Statt sich an den klassischen Parteienproporz zu halten, hat sich der Sauerländer für eine Ministerriege entschieden, mit der er den von ihm proklamierten Politikwechsel umsetzen will. Seine Entscheidungen sorgten am Montag auch für Frust in der CDU. Sein Mut birgt aber auch Chancen.
Trotz des schlechten Wahlergebnisses und der Koalition mit der SPD will Merz mehrere politische Wenden erreichen: In der Migrationsfrage soll die CSU mit Alexander Dobrindt „vom ersten Tag an“ die Zuwanderung steuern, kündigte der künftige Kanzler an.
Expertise aus der Wirtschaft
In den wichtigen Politikfeldern Energie- und Digitalpolitik setzt Merz dagegen auf Expertise aus der Wirtschaft: Da ist die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige Energiemanagerin Katherina Reiche. Die Geschäftsführerin von Westenergie soll ihre Expertise einbringen und eine klimaneutrale Energieerzeugung ermöglichen. Unterstützt wird sie von der CDU-Politikerin Gitta Connemann, die als Mittelstandsbeauftragte gemeinsam mit Reiche das wirtschaftspolitische Gewissen des Kabinetts bilden soll.
Hinzu kommt der Manager Karsten Wildberger. Er stellt sich der schwierigen Aufgabe, als Minister die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die Staatsmodernisierung auf den Weg zu bringen. Der Chef der Media-Markt-Saturn-Gruppe muss nicht nur viele Widerstände überwinden. Er muss auch in Windeseile ein neues Ministerium aufbauen. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: So etwas dauert gut und gerne eine Legislaturperiode.
Entscheidung für das Außergewöhnliche
Statt auf den Parteienproporz Rücksicht zu nehmen und kompetente Politiker aus den eigenen Reihen zu nominieren, hat sich Merz für das Außergewöhnliche entschieden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass dem 69-Jährigen nur noch vier Jahre bleiben, um die von ihm versprochene Erneuerung des Landes in die Tat umzusetzen – und zwar so, dass die Menschen Zuversicht verspüren und die Rettung nicht mehr in der AfD sehen.
Warum nur drei Landesverbände Bundesminister stellen, erklärte er nicht. Merz setzt auf loyale Mitstreiter wie seine Parlamentarischen Geschäftsführer in der Fraktion. Thorsten Frei wird Kanzleramtschef, Patrick Schnieder Verkehrsminister und Nina Warken Gesundheitsministerin. Und auch einen Freund holt Merz ins Kanzleramt: den Verleger Wolfram Weimer. Der wusste schon vor der Bundestagswahl, dass das Amt auf ihn zukommen würde. „Vertraulichkeit und Verbindlichkeit“, nach diesen Kriterien hat Merz nach eigenem Bekunden entschieden.

Besetzung der Unions-Minister offenbart den Kurs der neuen Bundesregierung
Es gibt viele Unwägbarkeiten einer Regierung Merz, die vielleicht umso mehr Loyalität erfordert. Zwar haben die Parteigremien und ein kleiner Parteitag am Montag dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Aber jeder weiß: In der Vereinbarung mit der SPD stecken viele Fragezeichen und vor allem die Mutter aller politischen Unsicherheiten in Form eines Satzes in Zeile 1627: Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrags stehen unter Finanzierungsvorbehalt.
Entscheidend wird zum einen sein, dass Union und SPD im Grundsatz das gleiche Verständnis von einem neuen Aufbruch im Land haben. Zum anderen muss die Ministerriege in der Lage sein, etwas zu bewegen. Jede Person ist aber nur so stark, wie es die Machtfülle des Amtes zulässt.






Grundlage dafür ist in einer Regierung kein Machtwort, sondern der Organisationserlass. Den wird Merz als Kanzler am ersten Tag seiner Amtszeit verkünden. Noch ringen er, CSU-Chef Markus Söder und SPD-Geschäftsführer Lars Klingbeil darum – intensiver als um den Koalitionsvertrag.
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