Kommentar: Mindestlohn-Entscheidung – Die letzte Patrone der Sozialpartner

CSU-Chef Markus Söder hat die Koalition aus Union und SPD mal als „letzte Patrone der Demokratie“ beschrieben. Überträgt man dieses martialische Bild von der Politik auf den Arbeitsmarkt, dann war die jüngste Entscheidung der Mindestlohnkommission die „letzte Patrone der Sozialpartner“.
In einem hochpolitisierten Umfeld mit fast erpresserischen Zügen haben Arbeitgeber und Gewerkschaften Ruhe bewahrt und sich nicht dem übermächtigen öffentlichen Druck gebeugt, der einen Mindestlohn von 15 Euro als alternativlos erscheinen ließ. Die Arbeitnehmervertreter haben sich nicht dazu hinreißen lassen, der SPD auf ihrem Irrweg zu folgen. Und sie sind auch nicht der Versuchung erlegen, Rache dafür zu üben, dass sie vor zwei Jahren überstimmt wurden.
Die Arbeitgebervertreter haben nicht in den Ruf nach Ausnahmen vom Mindestlohn eingestimmt und anerkannt, dass die hohe Inflation der zurückliegenden zwei Jahre vor allem die Geringverdiener trifft.
Politik muss hohe Erwartungen wieder einfangen
Herausgekommen ist ein Kompromiss, der den Kriterien Jobsicherung, Schutz der Beschäftigten und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Rechnung trägt – so, wie es das Gesetz vorsieht. Die Tarifparteien haben Handlungsfähigkeit bewiesen. Wäre auch diese Sitzung wie vor zwei Jahren in einem Eklat geendet, hätte das das Ende der Mindestlohnkommission bedeutet. So viel zur letzten Patrone.
Natürlich wird auch dieser Kompromiss in der Politik für reichlich Debatten sorgen – vor allem in der SPD bei ihrem Parteitag am Wochenende. Und doch sind die politisch Verantwortlichen gut beraten, sich nicht erneut in die Tarifautonomie einzumischen. Stattdessen sollten sie lieber rasch ihren Investitionsbooster auf den Weg bringen und die Rahmenbedingungen so setzen, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr Schlusslicht beim Wachstum ist.
Springt die Konjunktur wieder an und wird Arbeitskraft wieder knapper, dann steigen die Löhne von ganz allein. Die Bundesregierung hat es auch in der Hand, Beschäftigte mit niedrigen Einkommen zu entlasten. Geringverdiener leiden besonders unter hohen Mieten, hohen Energiepreisen und den immer weiter steigenden Sozialabgaben. Je mehr Netto vom Brutto bleibt, desto weniger müssen die Unternehmen in personalintensiven Dienstleistungsbranchen durch immer höhere Mindestlöhne belastet werden.
Die Tarifautonomie hat allen Angriffen von außen standgehalten. Nun ist es an jenen Politikern, die die 15 Euro Mindestlohn herbeireden wollten, die so geweckten hohen Erwartungen in der Öffentlichkeit wieder einzufangen.
Erstpublikation: 27.06.2025, 15:45 Uhr.