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KommentarNach Weidmann-Rücktritt: Die Bundesbank sollte ihr Verhältnis zur EZB pragmatischer gestalten

Jens Weidmann ist in seiner Amtszeit für ordnungspolitische Prinzipien im Euro-Raum eingestanden. An dieser Linie sollte die Bundesbank festhalten, aber ihr Verhältnis zur EZB neu justieren.Jan Mallien 20.10.2021 - 18:19 Uhr Artikel anhören

Die Bundesbank sollte weiter für Stabilität stehen - aber ihr Verhältnis zur EZB neu klären.

Foto: Deutsche Bundesbank

Der Rücktritt von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann knapp sechs Jahre vor Ablauf seines Vertrags zeigt eines ganz deutlich: Die alten Grundkonflikte um die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) brechen wieder auf. Der Versuch von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die Konfrontation abzufangen, ist letztlich gescheitert. Der Zusammenhalt war während der Coronapandemie der Not geschuldet. Dieser Versuch ist gescheitert, bevor die Not geendet hat.

Weidmann geht zu einem zentralen Zeitpunkt. Denn es steht die Entscheidung an, was für eine Notenbank die EZB auf lange Sicht sein will. Es geht darum, ob sie ihre extrem flexible Geldpolitik auch nach der Pandemie fortsetzt oder zu alten ordnungspolitischen Prinzipien zurückkehrt.

Wie kein anderer steht Jens Weidmann für Letzteres – und er hat recht. Nach der Covidkrise muss die EZB ihre Prinzipien wieder stärker beachten, die auf eine klare Trennung von Geld- und Finanzpolitik abzielen. Und egal, wer auf Jens Weidmann an der Spitze der Bundesbank folgt, muss für diesen Kurs einstehen.

Um ihren starken Einfluss auf die Geldpolitik im Euro-Raum zu wahren, muss die Bundesbank aber auch ihr Verhältnis zur EZB neu justieren. Die Bundesbank sollte pragmatischer werden. Das Beharren auf Grundsätzen, die eigentlich für Stabilität sorgen sollen, kann in außergewöhnlichen Krisenzeiten auch die Stabilität gefährden. Wenn der Euro-Raum auseinanderzubrechen droht, kann die Notenbank, die für den Euro verantwortlich ist, nicht einfach zuschauen. In solchen Momenten war die Bundesbank nicht immer hilfreich.

In der Geldpolitik ist beides wichtig: Pragmatismus hilft vor allem, Krisen schnell einzudämmen, Prinzipien dagegen sind wichtig, um Krisen zu vermeiden. Das Problem im EZB-Rat ist, dass viele Vertreter dort entweder für das eine oder das andere stehen. Was richtig ist, hängt aber von den Umständen ab.

In der Pandemie wären viele Euro-Länder ohne die Hilfe der EZB unverschuldet in große Probleme geraten. Hier war es richtig, schnell zu handeln, weil sonst die Wirtschaftskrise eine noch stärkere Eigendynamik bekommen hätte. Mit ihren extrem flexiblen Anleihekäufen hat die EZB dies verhindert. Das war richtig so.

Gefahr von Vernebelung des Preismandats

Nun aber besteht die Gefahr, dass die Pandemie der EZB als Vorwand dient, um die zuvor geltenden Prinzipien der EZB dauerhaft auszuhebeln. Das wäre gerade in einer Zeit höherer Inflation fatal, wo die Regierungen und Notenbanken oft sehr gegensätzliche Interessen haben. Einige Vertreter fordern bereits, die in der Pandemie eingeführte Flexibilität bei den Anleihekäufen zumindest teilweise auch in Zukunft beizubehalten. Damit aber würde aus Pragmatismus eine Vernebelung des klaren Mandats der EZB, für Preisstabilität zu sorgen.

Der Bundesbankpräsident hat sechs Jahr vor Ende seines Vertrags gekündigt.

Foto: dpa

Zudem geht es darum, den ohnehin großen Einfluss der Notenbanken auf die Märkte und die Politik zu begrenzen und damit auch ihre Unabhängigkeit zu schützen. Dafür sollte die EZB die Renditeabstände zwischen den Euro-Ländern wieder stärker den Märkten überlassen, damit deren Steuerungsfunktion erhalten bleibt. Die EZB darf nicht zum Erfüllungsgehilfen der Regierungen werden.

Die Bundesbank sollte auf guten Prinzipien beharren, aber manchmal auch mehr Verständnis für die Probleme anderer Euro-Länder aufbringen. Eine Kandidatin, der dies zuzutrauen wäre, ist die bisherige EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Die frühere Finanzprofessorin in Bonn ist fachlich über Zweifel erhaben. Sie lässt sich nicht so einfach einem bestimmten geldpolitischen Lager zuordnen. Zuletzt beispielsweise hat sie stärker vor Inflationsgefahren gewarnt und in ihrer Zeit im Sachverständigenrat auch die EZB-Politik kritisiert.

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Andererseits hat sie die EZB-Politik immer wieder verteidigt. Kritiker werfen ihr deshalb vor, dass nicht klar sei, wofür sie steht. Für ihren Ansatz gibt es aber gute Gründe, denn geldpolitische Zusammenhänge sind nicht statisch. Sie hängen stark von der jeweiligen Situation ab. Daher ist eine zu deutliche Festlegung oft hinderlich. Schnabel könnte auch das Vertrauen der Deutschen in die EZB verbessern.

Jens Weidmann hat sich in seiner zehnjährigen Amtszeit bei der Bundesbank intern und extern Respekt erarbeitet als ordnungspolitisches Gewissen im Euro-Raum. Auch seine Kritiker schätzen seine Kompetenz als Geldpolitiker und Ökonom. Er galt vielen in Deutschland als Garant dafür, dass die stabilitätsorientierte Tradition der Bundesbank auch für den Euro erhalten bleibt.
Wer auch immer ihm nachfolgt, sollte für diese Prinzipien einstehen, aber in Krisenzeiten auch einen Pragmatismus vertreten. Denn beides ist nur scheinbar ein Gegensatz.

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