Kommentar: Putin und Xi verschwören sich gegen den Westen

Der russische Präsident reiste für den Belt-and-Road-Gipfel nach China.
Foto: IMAGO/ITAR-TASSWladimir Putin zu Gast bei engen Freunden: Anders kann man den roten Teppich nicht interpretieren, den Chinas Staatspräsident Xi Jinping dem russischen Präsidenten ausgerollt hat. Es war Putins erster richtig öffentlichkeitswirksamer Auslandsbesuch seit seinem Überfall der Ukraine vor knapp 20 Monaten. Vor allem aber war es der sekundierte Auszug aus internationaler Ächtung und Isolation, den Xi ohne Not in Peking angeführt hat.
Dabei hätte der Anlass – Chinas Belt-and-Road-Gipfel – auch ein sachlicheres und abgespecktes Setting geboten. Doch hinter Pekings Liebesbekundung stecken geostrategisches Kalkül und Wirtschaftsinteressen.
Die Botschaft der beiden Autokraten an den Westen: „Wir halten zusammen – zwischen uns passt kein Blatt Papier.“ Wer auch nur die leisesten Hoffnungen hegte, dass China mäßigenden Einfluss auf Russland im Krieg gegen die Ukraine ausüben könnte, der dürfte spätestens jetzt eines Besseren belehrt worden sein.
Peking lässt fast nichts unversucht, Moskau zu unterstützen. Chinas Handel mit Russland hat den Höchstwert seit Beginn des Krieges im Februar 2022 erreicht. Chinesische Unternehmen springen in Lücken, die westliche Anbieter im Zuge der Sanktionen gerissen haben. Im Energiesektor baut China auf Russland und hilft dem Kriegstreiber damit, trotz aller westlichen Strafen die Konjunktur zu stützen. Das wiederum hilft Putin, seinen Krieg gegen die Ukraine über Jahre weiter zu finanzieren und fortzusetzen.
Der Konflikt in Nahost spielt den Interessen Moskaus und Pekings zusätzlich in die Hände. Die Strategie des Westens, den russischen Präsidenten international zu isolieren und ihn so zum Abzug oder zumindest an den Verhandlungstisch zu zwingen, ist gescheitert.
Die Spielräume werden enger: Das gilt auch für den Umgang mit dem globalen Süden, der sich im Großen und Ganzen weigert, die westliche Sicht auf Russland zu teilen. Und das gilt in besonderem Maße für China, das diesen – ziemlich diversen – Block anführen will.
China hält sich alle Optionen offen
Xi Jinping baut an einer alternativen Weltordnung unter chinesischer Führung, als Anführer eines imaginierten globalen Südens, den es angesichts der vielfältigen Interessen dieser Entwicklungs- und Schwellenländer nicht geben kann. Die Volksrepublik hält sich dafür die Optionen offen, wie auch im Umgang mit der Gewalt in Nahost, die Peking nur halbherzig verurteilt hat, um eigene Interessen in der Region gegen Israel und die USA zu schützen.
Bei der Eröffnungszeremonie kündigte Xi Jinping an, die Belt-and-Road-Initiative habe ein „goldenes Jahrzehnt“ vor sich.
Foto: BloombergAuch im Ukrainekrieg und in der Nachbarschaft mit Russland spielt die chinesische Führung ein doppeltes Spiel: Einerseits wird die Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Staates wie der Ukraine verurteilt, andererseits dem Autokraten die Stange gehalten, der wie Putin genau diesen völkerrechtlichen Grundsatz mit Füßen tritt.
Die „grenzenlose Partnerschaft“, die Russland und China anstreben, übergeht solche Widersprüche – grenzenlos. Der Belt-and-Road-Gipfel war der willkommene Anlass, sich als Duo gegen den Westen zu positionieren.
Für Russland ist die derzeitige Lage eine reine Win-Situation – die Isolation des russischen Präsidenten ist inzwischen sogar im Westen brüchig, wie auch die Bilder von Putin und Viktor Orban zeigen. Der ungarische Premier, übrigens der am längsten amtierende Regierungschef in der EU, ist sich tatsächlich nicht zu schade, gemeinsam mit dem Kriegsherrn aus dem Kreml in die Kameras zu lächeln.
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Auch das stellt ein Affront für die westliche Wertgemeinschaft dar und ist gleichsam ein unverhoffter PR-Erfolg für den russischen Präsidenten. Nichts ist derzeit nützlicher für ihn als Zweifel an der westlichen Geschlossenheit gegenüber Russland.
Während Putin also der große Gewinner der jüngsten Entwicklungen ist, birgt der ebenso enge wie demonstrative Schulterschluss mit Moskau für Peking unkalkulierbare Risiken, zumal sich die Wirtschaft nur langsam erholt – und die Abhängigkeit der Volksrepublik von westlichen Märkten nach wie vor sehr groß ist.
Xi Jinping steht unter Druck
Doch mit seiner Unterstützung für Putin setzt Xi das Verhältnis zum Westen aufs Spiel. Ohnehin sind die Beziehungen auch zu Europa zunehmend belastet. China und die Europäische Union, die mit Handelszöllen für chinesische E-Autos droht, versuchen seit Wochen, solche Wogen zu glätten. Doch höfliche Besuche von EU-Kommissaren in Peking können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Volksrepublik längst an einer Autokratie-Allianz mit Russland und anderen Mächten baut.
Ein gutes Verhältnis zu Moskau zu pflegen und gleichzeitig Europa davon abzuhalten, auf den zunehmend aggressiven Kurs der US-Regierung gegenüber China einzuschwenken, wird nicht funktionieren. Das Risiko, dass Peking sich am Ende geostrategisch verzettelt, ist groß.
Zudem ist überhaupt nicht ersichtlich, welche Gestalt ein von China und Russland angeführter Machtblock in einer multipolaren Welt annehmen könnte. Ein China, das an wirtschaftlicher und politischer Stabilität interessiert ist, holt sich mit diesem Russland eine tickende Zeitbombe ins Haus. Das kann nicht im Interesse Pekings sein.