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KommentarRegierungskrise in London könnte zum Vorboten für einen Machtwechsel werden

Premierminister Keir Starmer versucht einen Neustart mit alten Köpfen. Seiner Partei droht ein Machtkampf. Und ein Rechtspopulist ist der große Gewinner des wachsenden Unmuts im Königreich.Torsten Riecke 06.09.2025 - 11:15 Uhr
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Der britische Premierminister Keir Starmer muss sein Kabinett umbilden. Foto: Jack Taylor/PA Wire/dpa

Es ist mehr ein Zeichen als ein Zufall, dass der britische Premierminister Keir Starmer ausgerechnet an dem Tag zu einem radikalen Kabinettsumbau gezwungen wurde, an dem sich der Rechtspopulist Nigel Farage auf dem Parteitag seiner Reform-UK-Partei in Birmingham bereits als der kommende starke Mann in Großbritannien feiern ließ.

Starmer und seine Labour-Partei sind erst ein Jahr im Amt, seit sie im Juli 2024 mit dem Versprechen „Stabilität durch Wandel“ die damalige, von Krise zu Krise stolpernde konservative Regierung abgelöst haben. Zur Ruhe gekommen ist das Königreich durch den Machtwechsel jedoch nicht.

Im Gegenteil: Hohe Lebenshaltungskosten, ein schwaches Wirtschaftswachstum, wacklige Staatsfinanzen und der unkontrollierte Zuzug von Flüchtlingen über den Ärmelkanal haben auf der Insel ein derart explosives Stimmungsgemisch entstehen lassen, dass viele Briten bereits erneut nach einem Wechsel rufen und Farage schon als Premierminister im Wartestand erscheint.

Neue Köpfe, aber keine neue Strategie

Ein Rechtsruck wäre nicht nur für Großbritannien ein politisches Erdbeben. Galt die sozialdemokratische Labour-Regierung in Großbritannien doch bislang als Ausnahme vom rechtspopulistischen Megatrend, der von Italien über die USA bis nach Frankreich und Deutschland alle großen westlichen Demokratien erfasst hat. Dass die Briten immun gegen populistische Verführungen sind, ist jedoch mehr Wunsch als Wirklichkeit. War doch der Brexit, an dem Farage maßgeblich mitgewirkt hat, der erste große Erfolg der Rechtspopulisten.

Für den britischen Premier Starmer geht es jetzt ums politische Überleben. Dass er durch eine Steueraffäre seiner Stellvertreterin Angela Rayner zum Handeln gezwungen wurde, ist kein Ausweis von Führungsstärke. Insgesamt elf Kabinettsmitglieder müssen jetzt ihre Posten wechseln. David Lammy wird als Vizepremier der neue starke Mann hinter Starmer.

Die glücklose Yvette Cooper wechselt vom Innen- ins Außenministerium. Sie überlässt der früheren Justizchefin Shabana Mahmood die undankbare Aufgabe, die aufgeheizte Einwanderungsdebatte politisch und praktisch in den Griff zu bekommen.

Rechtspopulist

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Bis auf Rayner, die nach ihrem Fehltritt zum Rücktritt gezwungen war, setzt Starmer bei seinem als „Phase 2“ bezeichneten Neustart jedoch auf „alte“ Köpfe. Neue Gesichter, neue Ideen oder gar eine neue Strategie sind im umgebildeten Kabinett nicht zu erkennen.

Das gilt auch für die neben dem Premierminister wichtigste Position der Finanzministerin. Rachel Reeves bleibt trotz handwerklicher Fehler auf ihrem Posten und muss bis zur Vorlage ihres nächsten Haushalts Ende November eine nahezu unlösbare Finanzklemme lösen.

Finanzpolitik entscheidet Starmers Schicksal

Starmer verzichtet damit ausgerechnet in jenem Politikbereich auf einen personellen Neuanfang, der das Schicksal seiner Regierung und auch sein eigenes als Premierminister entscheiden wird. Bislang ist es Reeves jedenfalls nur mit Ach und Krach gelungen, die öffentlichen Leistungen zu verbessern, auf Steuererhöhungen in großem Umfang zu verzichten und zugleich ihre eigenen Regeln für solide Staatsfinanzen einzuhalten. Der starke Zinsanstieg für langlaufende britische Staatsanleihen zu Beginn der vergangenen Woche hat gezeigt, dass die Investoren bereits höhere Risikoprämien für die britische Finanzpolitik fordern.

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Premierminister Keir Starmer und Finanzministerin Rachel Reeves: Der Labour-Partei droht ein Machtkampf. Foto: AP

Nach dem Ausscheiden der linken Galionsfigur Rayner auch als Parteivize droht der Labour-Partei zudem ein Machtkampf zwischen dem moderaten und dem linken Flügel, der die Aufgabe der Finanzministerin noch schwieriger machen dürfte. Musste Reeves doch bereits unter dem Druck von links mehrere der von ihr geplanten Einschnitte bei Sozialleistungen wieder zurücknehmen. Und links von Labour wartet bereits der frühere Parteichef Jeremy Corbyn, um unzufriedene Labour-Abgeordnete in die Arme seiner neuen Partei zu nehmen.

Der große Gewinner der Regierungskrise in London ist Nigel Farage, der mit Rayner eine auch bei seinen Anhängern geachtete Rivalin losgeworden ist und jetzt eine Spaltung der Labour-Partei prophezeit. Farages Reform-UK-Partei liegt in den Meinungsumfragen mit einem Vorsprung von rund zehn Prozentpunkten an der Spitze. Die Briten wählen planmäßig zwar erst in vier Jahren eine neue Regierung. Wahlen vollenden jedoch oft nur einen Machtwechsel, der sich bereits viel früher abzeichnet. Großbritannien geht unruhigen Zeiten entgegen.

Mehr: Regierungsumbau nach Rücktritt von Vize-Premierministerin Rayner

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