Kommentar: Politiker feiern Europas stärksten KI-Rechner zu früh


Ein „Pionierprojekt“, ein „Meilenstein“, gar die Antwort auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit – die Lobeshymnen klangen, als habe Jülichs neuer Supercomputer „Jupiter“ nicht nur das KI-Rennen für Europa gewonnen, sondern gleich auch die Klimakrise gelöst. Dabei wurde Europas leistungsstärkster KI-Rechner am Freitag erst eröffnet.
Der Festakt geriet zum Aufmarsch politischer Schwergewichte, angefangen mit Kanzler Friedrich Merz. Die Botschaft dahinter war unübersehbar: Deutschland könne im KI-Rennen endlich zu den USA und China aufschließen.
Tatsächlich ist Jupiter mit 24.000 Spezial-Chips ein Kraftpaket. Er kann KI-Modelle der Größe von GPT-5 trainieren, Simulationen in Medizin oder Klima ermöglichen und die Abhängigkeit von US-Hyperscalern mindern. Er rangiert auf Platz vier der weltgrößten Rechner.
Doch die Rangliste ist trügerisch: US-Konzerne wie Microsoft oder Google geben längst keine Daten zu ihren Rechenzentren preis. Faktisch stehen drei Viertel aller GPU-Kapazitäten in den USA, 15 Prozent in China – Europa bleibt laut einer Auswertung von Epoch AI weit zurück.
Für Kanzler Merz ist Jupiter dennoch der Beweis, „dass wir unsere Kompetenzen in Industrie und KI-Forschung verzahnen können“. Damit aus Rechenleistung auch Wertschöpfung entsteht, verwies Merz am Freitag auf ein „Bündel an Maßnahmen“: Reallabore, Entbürokratisierung, mehr Wagniskapital.

Klingt nach Super-Maßnahmen für die KI-Szene. Doch vieles davon steht seit Jahren auf der Wunschliste – umgesetzt ist wenig. Bleibt es dabei, wird Jupiter nicht zum Motor, sondern zum Denkmal einer verpassten Chance.
Rechenleistung allein reicht nicht aus, um mitzuhalten






Die Geschichte zeigt: Technologische Führerschaft entsteht nicht durch Hardware, sondern durch Anwendungen. Finnland und Japan beweisen, wie Supercomputer Innovation befeuern – eingebettet in ein Ökosystem aus Forschung, Industrie und Start-ups. Dort entstehen neue Firmen, Anwendungen, Märkte.
Jupiter ist ein Supercomputer und Teil einer Super-Initiative – jetzt braucht es die Super-Anwendung. Entscheidend dafür sind offene Datenplattformen, klare Prioritäten und schneller Zugang für Unternehmen. Dann könnte Jupiter tatsächlich zum Motor der deutschen KI-Aufholjagd werden.
Mehr: Er besteht aus 24.000 Nvidia-Prozessoren: Kanzler Merz startet Europas größten Supercomputer





