Kommentar: TV-Sender RTL zieht alle Register, doch erkennt nicht das wahre Problem


Stellenabbau, Preiserhöhungen, Absage der Weihnachtsfeier, Einfrieren von Reisekostenbudgets: Um sich aus der Krise zu befreien, packt RTL aktuell das große Managementbesteck aus. Der TV-Sender mutet seiner Belegschaft schmerzhafte Einschnitte zu – und hat doch keine andere Wahl. Zu tief ist die Krise, die durch die rapide sinkenden Werbeerlöse im linearen Fernsehen entstanden ist.
Wichtig ist, was RTL jetzt daraus macht. Und da weisen nicht alle getroffenen Maßnahmen in die richtige Richtung.
Unstrittig ist: Die Bedeutung des linearen Fernsehens nimmt immer weiter ab. Allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres fehlten RTL im Vergleich zum Vorjahr 120 Millionen Euro an TV-Werbeerlösen. Nun hat der Sender beschlossen, sich auf das einzig absehbare Wachstumsfeld zu konzentrieren: das Streaming.
Dass dafür die Organisation verschlankt werden muss, ist unumgänglich. Zudem muss sich der Mindset ändern: Redaktion und Vermarktung müssen die Inhalte künftig noch konsequenter aus einer Streaming-first-Perspektive heraus konzipieren. Eine Ausspielung im linearen TV wird mehr und mehr zur Zweitverwertung.
Auch darüber hinaus sind die Inhalte die wichtigste Schraube im System: Denn sie entscheiden über Millionen zukünftige Abonnenten im Konkurrenzkampf mit Prime, Netflix und Disney.
Sky-Übernahme verbessert Position beim Sport
Im Reality-TV-Genre und beim Sport ist RTL bereits gut aufgestellt. Sollte der Kauf von Sky Deutschland im ersten Halbjahr 2026 von den Kartellbehörden genehmigt werden, verbessert RTL seine Position im zweiten Segment – das sich durch zahlungswillige Kunden auszeichnet – weiter.
Etwas schlechter sieht es bei News aus. Hier hat RTL zwar viel in die Sendung „RTL direkt“ investiert, prominente Sprecher wie Jan Hofer und Pinar Atalay geholt, um mit den Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren zu können. Allerdings ohne Erfolg. Atalay sendet jetzt auf N-TV.
Trotzdem kann RTL mit investigativen Recherchen und nachrichtlichen Einordnungen punkten; die internationalen Streamingdienste haben kein ähnliches Angebot. Sollte die Gruppe in diesem Segment sparen, wäre das ein journalistischer und vertrieblicher Fehler.
Nutzer halten Fiction für wichtigstes Genre
Die größte Schwachstelle bei RTL+ sind die fiktionalen Inhalte. Mit den Budgets für große Serien- und Filmproduktionen der US-Medienhäuser kann RTL nicht konkurrieren. Dabei ist Fiction für Nutzerinnen und Nutzer einer der Hauptanreize, um ein Abo abzuschließen.



Auch im Showsegment setzt RTL teilweise einen falschen Fokus. Der Deal mit Stefan Raab kostete den Sender 90 Millionen Euro, seine Sendung aber hat schlechte Einschaltquoten. Die Formate wirken aus der Zeit gefallen, kommen beim jungen Streamingpublikum nicht gut an.
Statt auf die alten Flaggschiffe zu setzen, sollte RTL sich mehr trauen. Nicht jeder Inhalt muss selbst produziert sein – auch der gezielte Einkauf von Rechten an internationalen Produktionen wäre ein vielversprechender Weg für den Kölner Sender.
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