1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Kommentar: Was das Ende der Nullzins-Bubble-Zeit bedeutet

KommentarWas das Ende der Nullzins-Bubble-Zeit bedeutet

Sinkende Inflationsraten und steigende Renditen schaffen große Chancen und Herausforderungen für Bürger, Unternehmen und Politik.Frank Wiebe 20.10.2023 - 18:42 Uhr
Artikel anhören

Die große Kursblase am Anleihemarkt ist schon geschrumpft, am Aktienmarkt steht dieser Prozess vielleicht noch aus. Der Immobilienmarkt muss sich an realistischere Preise gewöhnen.

Foto: E+/Getty Images

Am Donnerstag tagt die Europäische Zentralbank (EZB) und wird sehr wahrscheinlich die Zinsen unverändert lassen. Denn der starke Anstieg der Renditen an den Kapitalmärkten unterstützt die Notenbank im Kampf gegen die Inflation. Zugleich erhöht er die Belastung für die Wirtschaft und die Regierungen. Beides spricht dafür, den Zyklus der Inflationsbekämpfung für weitgehend beendet zu halten.

Der Kapitalmarkt hat sich in wenigen Jahren komplett verwandelt. Vorbei sind Null- und Niedrigzinsen. In den USA und in Italien werden langfristige Staatsanleihen mit rund fünf Prozent verzinst, in Deutschland mit fast drei Prozent. Unternehmens-Anleihen kommen mit bis zu acht Prozent daher, sehr viel teurer sind auch Baufinanzierungen geworden.

Der Markt spiegelt eine Welt wider, die sich ebenfalls stark verändert hat: Seuchen und Kriege sind wiedergekehrt, billige Energie im Überfluss gibt es nicht mehr und das Gesellschaftsmodell der liberalen Demokratie ist infrage gestellt. Zugleich rückt uns der Klimawandel mit Unwetterkatastrophen wie im Ahrtal unangenehm nahe, wird aus einer abstrakten Gefahr zur Realität.

Risiken treiben Risikoprämien an den Märkten hoch, und sie erzeugen Kapitalbedarf in einer Welt, die früher im Geld zu schwimmen schien. Noch ist nicht abzusehen, wie lange die Hochzinswelt anhält. Sie kann sich, wenn eine weiterer Krisenschock daher kommt und die Notenbanken mit raschen Zinssenkungen reagieren, sehr schnell noch einmal verändern.

Aber bisher deuten die meisten Erwartungen und Prognosen auf eine längere Periode mit hohen Renditen und noch höheren Finanzierungskosten hin. Weil viele Staaten, etwa die USA und Italien, sich stark verschuldet haben, ist am Anleihemarkt so schnell keine Entspannung in Sicht.

Realistische Preise für Immobilien

Im Grunde bewegen wir uns in eine Welt, die vor wenigen Jahren noch vielfach schmerzlich vermisst wurde. Mit hohen Zinsen und sinkender Inflation gibt es endlich wieder reale Zinsen. Kapital ist nicht mehr quasi ein freies Gut, sondern Finanzierungskosten müssen hart erarbeitet werden, was in der Theorie dafür sorgen sollte, mit dem Geld ökonomische deutlich sinnvollere Projekte verwirklicht werden.

Die große Kursblase am Anleihemarkt ist schon geschrumpft, am Aktienmarkt steht dieser Prozess vielleicht noch aus. Der Immobilienmarkt muss sich wieder an realistischere Preise gewöhnen.

Politiker können die zum Teil steigende Unzufriedenheit ihrer Wähler immer weniger mit Geld zu lindern versuchen.

Wenn man glaubt, dass der Kapitalmarkt eine wichtige Lenkungsfunktion in der Volkswirtschaft hat, sollte das jetzt wieder nach vernünftigeren Maßstäben funktionieren. Hinzu kommt: Wer als Bürger oder Unternehmen, beispielsweise im Bereich der Versicherer, regelmäßig fließende reale Erträge braucht, hat es jetzt viel leichter als zur Null-Zins-Bubble-Zeit.

Zunächst aber ist die Umstellung eine schmerzhafte Herausforderungen. Politiker können die zum Teil steigende Unzufriedenheit ihrer Wähler immer weniger mit Geld zu lindern versuchen. Nicht alle waren so schlau wie die Österreicher, die 2020 zu Minizinsen eine hundertjährige Anleihe aufgelegt haben, die sie jetzt zu gut einem Drittel des Ausgabepreises wieder zurückkaufen könnten.

Verwandte Themen EZB Inflation USA Konjunktur

Zugleich muss die Politik noch mehr in Klimaschutz und -anpassung sowie Rüstung investieren als noch vor wenigen Jahren gedacht. Diese Spannung macht einen konstruktiven Umgang der Politiker untereinander nicht gerade leichter.

Unternehmen müssen zugleich dringend gute Fachkräfte an sich binden und ihre Finanzierung überprüfen. Die Frage ist auch, wie viele bisher wegen günstiger Bilanzierungsvorschriften noch unrealisierte Verluste im Finanzsystem stecken. Die neue Welt, die wir uns vor kurzem noch gewünscht haben: Sie ist alles andere als ein Paradies.

Mehr: Wie Schulden zur Umverteilung führen

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt