Kommentar: Wenn Merz jetzt nicht liefert, droht ihm ein Fiasko


Für Friedrich Merz sind es entscheidende Tage. Bereits zum Ende dieser Woche könnte sich zeigen, welches politische Gewicht der deutsche Bundeskanzler tatsächlich auf europäischer Ebene besitzt. Ebenso gut könnte deutlich werden, ob sein Anspruch auf Führungsstärke in Europa trägt oder ob er dabei an erste Grenzen stößt.
Nach den zarten diplomatischen Erfolgen bei den Ukraine-Gesprächen in Berlin rücken zwei weitere zentrale Fragen in den Fokus: Gelingt der EU eine Einigung im Streit um den Umgang mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten? Und findet sich zudem eine qualifizierte Mehrheit für Mercosur, das Handelsabkommen mit den lateinamerikanischen Staaten, das am Samstag unterzeichnet werden soll?
Merz hat bei beiden Themen sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen. In diesen Tagen vor Weihnachten verdichten sich die großen Fragen seiner bisherigen Kanzlerschaft. Es geht dabei nicht nur um Krieg und Frieden, sondern auch um den Erhalt oder Verlust der Bedeutung Europas – um die Rolle des Kontinents in der Welt und die Position Deutschlands in Europa. Seit seinem Amtsantritt verfolgt Merz außenpolitisch vor allem ein Ziel: Europa und insbesondere Deutschland wieder zu einem handlungsfähigen Akteur zwischen den globalen Mächten zu machen.
Nicht zuletzt die Ukraine-Gespräche Anfang dieser Woche deuten darauf hin, dass Merz mit seinem Ansatz tatsächlich Erfolg haben könnte. Zum einen, weil es offenbar gelungen ist, den US-Amerikanern verbindliche Zusagen zu Sicherheitsgarantien abzuringen. Zum anderen, weil ausgerechnet Berlin zum Schauplatz dieses diplomatischen Schaulaufs wurde. Vorbei die Zeiten, in denen solche Gipfel nur im Élysée stattfanden.
Es ist durchaus bemerkenswert, wie Merz innerhalb weniger Monate zur zentralen Figur unter den europäischen Regierungschefs aufgestiegen ist. Während viele in Innen- und Wirtschaftspolitik eine klare Führung von ihm zurecht vermissen, zeigt er außenpolitisch umso deutlicher, dass er handlungsfähig ist.
All dieses politische Kapital setzt Merz in den letzten Tagen vor Weihnachten noch einmal gezielt ein, um sowohl Mercosur als auch die Einigung im Streit um die russischen Vermögen durchzubringen. Für Mercosur wirbt er seit Monaten wiederholt persönlich beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Wenn es nicht klappt, droht ein Fiasko
Noch deutlicher verhandelt Merz über die Nutzung der russischen Vermögen. „Das ist die Schlüsselfrage unserer Handlungsfähigkeit“, betonte er am Montag in Berlin. Gelinge dies nicht, würde das Vertrauen in Europa für Jahre erschüttert. Merz strebt an, dass Europa gestärkt und geeint ins neue Jahr geht – und zugleich mit einer klaren Botschaft an Russland und die USA. Zugleich ist dies ein gewaltiges politisches Wagnis.
Denn die Zweifler innerhalb der EU sind zuletzt noch zahlreicher geworden. Der belgische Premier erhielt in diesen Tagen Unterstützung aus Italien, Bulgarien und Malta. In einem gemeinsamen Papier forderten die vier Länder die Kommission und den EU-Rat auf, weiterhin alternative Optionen zum Reparationsdarlehen zu prüfen, die „deutlich geringere Risiken“ mit sich bringen.






Auch bei Mercosur ist mit Italien ein weiterer ablehnender Staat neben Frankreich und Polen dazugekommen. Wenn beide Vorhaben dieses Jahr scheitern, wäre es vor allem für den Kanzler Merz ein Fiasko. Eine Niederlage würde ihn schwächen. Es wäre aber auch für Europa keine gute Nachricht: Im Kräftemessen mit den USA und Russland braucht es eine einheitliche Position. Nichts wäre dem Kreml dienlicher als ein zerrütteter Haufen an europäischen Staats- und Regierungschefs.
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