1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Welche Position sollten Deutschland und die EU im Russland-Ukraine-Konflikt beziehen?

LeserdebatteWelche Position sollten Deutschland und die EU im Russland-Ukraine-Konflikt beziehen?

Bei den Verhandlungen im Normandie-Format gab es noch keinen Durchbruch. Wie es weitergehen könnte, darüber diskutiert auch die Handelsblatt-Leserschaft. 27.01.2022 - 13:44 Uhr Artikel anhören

Die Bundesaußenministerin führt aufgrund des Ukraine-Russland-Konflikt momentan viele Gespräche mit ihren Amtskollegen.

Foto: dpa

Es sei ein wenig, wie im Kaffeesatz zu lesen, sagte US-Präsident Joe Biden auf die Frage, ob die Wahrscheinlichkeit einer russischen Invasion in die Ukraine in den letzten Tagen gestiegen oder gesunken sei. Die Situation an der russisch-ukrainischen Grenze beschäftigt momentan viele Politiker und Menschen weltweit.

Wir haben die Handelsblatt-Leserschaft nach ihrer Einschätzung gefragt, wie die involvierten Akteure in der Russland-Ukraine-Krise sich verhalten sollten. Dabei schreibt ein Leser, dass Deutschland allein aus Eigennutz an der Seite der Bündnispartner stehen sollte. Denn sollte es zu einer Bedrohung hierzulande kommen, sei Deutschland auf diese angewiesen. Ein anderer Leser findet, dass es vor allem vonseiten Europas „eine einheitliche Linie“ brauche, dann würde sich Russland nicht mehr so leicht ins Fäustchen lachen.

Andere Leser können wiederum Russlands Forderungen nach einer neutralen Zone nachvollziehen. Die USA spielten in einer Region Weltpolizei, in der sie der Meinung eines Lesers nach nichts zu suchen hätten. Zur Beruhigung der Lage schlägt beispielsweise ein Leser vor, dass die Ukraine in den kommenden zehn Jahren nicht Mitglied der Nato werden sollte. Aus einer Vielzahl an E-Mails haben wir die interessantesten Beiträge hier für Sie zusammengestellt.

Eine einheitliche Linie

„Im Konflikt Ukraine-Russland-Nato hilft vor allem erst mal eine einheitliche Linie, vor allem seitens Europa. Wir machen uns derart lächerlich in der Welt, weil jeder den Mund aufmacht und meint, eine Meinung haben zu müssen... einheitliches Auftreten nach außen tut seit Langem not in Europa. Und wenn der ganze Westen einheitlich auftritt, lacht sich Russland nicht mehr so leicht ins Fäustchen.“
Frank Lang

The Russians love their children too

„Was wollen die Russen denn in Wirklichkeit?
1. Die grundlegende Forderung: eine – aus Sicht der Russen – sichere Ostgrenze zur Nato.
2. Nord Stream 2 durchsetzen, damit der Rubel auch in Zukunft rollt.
3. Gern wieder freien Handel ohne Sanktionen.
Hierfür rumort der russische Bär dann auch mal etwas lauter. Dies ist aber auch die Gelegenheit, am Verhandlungstisch die eigenen (EU-)Forderungen umzusetzen.
Fazit: The Russians love their children too.“
Frank Wille

Aus Eigennutz an der Seite der Bündnispartner stehen

„Schon allein aus Eigennutz sollte Deutschland fest an der Seite der Bündnispartner stehen. Zwischen Ukraine und Deutschland ist nur noch Polen, so nah ist dieser Konflikt. Sollte es irgendwann zu einer Bedrohung Deutschlands kommen, sind wir völlig auf die Bündnispartner angewiesen. Unsere eigene ‚Berufsarmee‘ ist inzwischen vollständig kaputtgespart, allein würden wir einem solchen Gegner hilflos gegenüberstehen. Die Ausrüstung der deutschen Bundeswehr beeindruckt niemanden mehr.“
Herbert Neumayer

Militärische Neutralität der Ukraine

„Auch Russland hat ein legitimes Sicherheitsbedürfnis, und die rote Linie ist eine Ausdehnung der Nato auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Die Forderung Russlands nach einer neutralen Zone ist sehr nachvollziehbar und nicht überzogen. Es geht nicht darum, die Ukraine ‚fallen zu lassen‘, es geht einzig um ihre militärische Neutralität. Auch Österreich und Finnland sind seit jeher nicht Teil der Nato und dennoch souveräne Nationen, warum sollte dieses Modell nicht auch für die Ukraine machbar sein? Für einen nachhaltigen Frieden in Europa wäre dies kein zu hoher Preis.

Für die Ostukraine sehe ich eine Zukunft als teilautonome Provinz einer föderalen Republik. Auch hierfür gibt es mit Südtirol bereits eine erfolgreiche Blaupause.“
Andreas Albrecht

Sofortiger Truppenabzug

„Die EU hat nunmehr die einmalige Chance, in eigener Angelegenheit Führung zu zeigen, mit Nato und USA als ‚Back-up‘. Um in Ruhe zu verhandeln, ist ein sofortiger Truppenabzug auf allen Seiten und das Einfrieren des derzeitigen Status quo notwendig.

Als Verhandlungsziel sollte die Ukraine einen Sonderstatus erhalten, der eine fünf- bis zehnjährige Ruhezeit von allen Seiten garantiert, keine Vermischung mit ‚Nord Stream‘ und einem eventuellen Nato-Beitritt in dieser Zeit.“
Lutz Kohlbecher

Konstruktion eines äußeren Feindes

„Nach meiner Einschätzung wird die aktuelle Entwicklung getrieben von der inneren und wirtschaftlichen Schwäche Russlands, von dem die russische Führung durch die Konstruktion eines äußeren Feindes ablenken will. In der Vergangenheit wurden Provokationen wie Luftraumverletzungen im Baltikum und in der östlichen Ostsee durch die russischen Streitkräfte vom Westen hingenommen.

Da Moskau glaubt, einen äußeren Feind zu benötigen, bestimmt es das Tempo der Verschlechterung der Beziehungen. Die Kunst wird es sein, die eigenen Werte nicht zur Disposition zu stellen und gleichzeitig keinen Grund zu liefern, dass es zu einer militärischen Eskalation jenseits von Drohgebärden kommt. Diplomatie ohne die Bereitschaft, auch für Deutschland schmerzhafte Maßnahmen zu ergreifen, ist dabei ebenso zum Scheitern verurteilt wie Härte ohne eine begleitende diplomatische Strategie.“
Peter Langschmidt

>> Lesen Sie auch den großen Handelsblatt-Report zur Ukraine-Krise: Wie Putin den Westen herausfordert – und warum er damit Erfolg haben könnte

Drei Zugeständnisse an Russland

„Man sollte Russland zusichern, dass die Ukraine in den nächsten zehn Jahren nicht Mitglied der Nato wird. Außerdem sollte man zwar die Unrechtmäßigkeit der Aneignung der Krim thematisieren, aber auch eingestehen, dass sie jetzt ein Teil Russlands geworden ist. Drittens sollte man Russland versichern, dass die russische Sprache und Kultur im Donbass weiter gepflegt werden. Dafür sollte man von Russland die territoriale Integrität bestätigt bekommen sowie die Beseitigung der Drohkulisse der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine.“
Hans Schwarz

Das Spiel muss man mitspielen

„Wer den Frieden um der Freiheit willen aufgibt, verliert beides. Ja, Aggression induziert Aggression, und dieses Spiel muss man mitspielen – und gleichzeitig aber souverän bleiben und die Demokratie verteidigen.

Konkret: Wenn Russland Truppen um die Ukraine konzentriert, kann die Nato dies in den baltischen Staaten tun – und so Abschreckung und Verhandlungsmasse gleichzeitig schaffen. Russland mit der Wirtschaftskraft von Italien kann dieses Spiel nur sehr begrenzt mitspielen. Hier ist die Nato in der deutlich stärkeren Position, und so kann man Aggression letztlich dann doch begrenzen.
Sonst ist es gestern die Krim, heute die Ukraine, morgen sind es die baltischen Staaten.“
Justus Müller

Keinerlei pseudoimperiale Aggressionen dulden

„Das eigentlich Ärgerliche ist, dass wir diese Frage erst jetzt diskutieren und dem offensichtlich nach Einfluss strebenden Russland nun keinerlei Verhandlungsmasse entgegensetzen können. Es hätte vielmehr eine vorausschauende Unterstützung der Ukraine, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, benötigt, um den Konflikt mit Russland zu vermeiden.

Dennoch ist es für mich klar, dass wir nun unseren moralisch-ethischen Verpflichtungen nachkommen müssen und in einer Doppelstrategie, mit unseren Verbündeten, dem russischen Präsidenten verdeutlichen sollten, dass wir keinerlei pseudoimperialen Aggressionen in Europa dulden. Europa sollte gemeinsam seine Zurückhaltung aufgeben und die Ukraine sowohl mit defensiven Waffen und Ausrüstung unterstützen als auch versuchen, Russland einen gesichtswahrenden Rückzug seiner Truppen zu ermöglichen. Letzteres könnte etwa durch eine Vereinbarung zum Nato-Status der Ukraine sowie gegebenenfalls einem atomaren Abrüstungsabkommen zwischen USA und Russland in Europa geschaffen werden.“
Mario Glavasevic

Die EU muss sich einig sein, ist es aber nicht

„Eine alte Weisheit: Nachgiebigkeit gegenüber Erpressung fördert weitere Erpressung. Putin nutzt das gnadenlos aus. Die EU muss sich einig sein, ist es aber nicht. So lange kann Putin mit der EU machen, was er will. Und die USA sind schwach, die EU kann sich nicht auf sie verlassen. Ein Rückzieher Bidens ist jederzeit möglich.“
Henry von Moltke

Erhalt des Friedens

„Deutschland sollte beides gleichermaßen zeigen, Diplomatie und Härte (Aufzeigen und Mitdurchführen der Maßnahmen im Kontext mit den westlichen Verbündeten als Antwort auf Eskalationen durch Russland). Aber an vorderster Stelle: Erhalt des Friedens in Europa, in der Welt.“
E.S.

Ukraine verdient Unterstützung

„Am 5.12.1994 wurde das Budapester Memorandum, das der Ukraine die Anerkennung der bestehenden Grenzen garantiert, auch von Russland unterzeichnet. Russland ist mit der Annexion der Krim vertragsbrüchig geworden. Die Ukraine verdient jede Unterstützung auch von Deutschland, auch mit Waffen, gegen den Aggressor Russland. Die Befürchtung, dass zum ersten Mal seit 1945 deutsche Waffen gegen Russland eingesetzt werden könnten, greift zu kurz. Deutschland hat 1941 nicht nur Russland überfallen, sondern auch die Ukraine, die nunmehr um unsere Hilfe bittet und daher auch aus historischen Gründen unsere Unterstützung verdient.“
Wolfgang Schlüter

Ein paar Gänge in ihrer Eskalationsmaschinerie zurückschalten

Verwandte Themen Ukraine Russland Europäische Union Außenpolitik

„Meiner Meinung nach sind die russischen Bedenken absolut gerechtfertigt! Ich denke, es besteht auch die große Gefahr, dass in dieser künstlich aufgeheizten Stimmung (vor allem durch ‚westliche Medien‘), eine False-Flag-Aktion der USA oder ihrer Verbündeten dazu führen könnte, dass es tatsächlich einen heißen Krieg der Nato gegen Russland geben könnte!

Die USA spielen in ihrer ekelhaften Arroganz in einer Region Weltpolizei, in der sie meiner Meinung nach nichts zu suchen haben und wir Deutschen aus der Historie heraus auch nicht! Sowohl die EU als auch die Nato sollten ein paar Gänge in ihrer Eskalationsmaschinerie zurückschalten, denn die Ukraine ist weder Mitglied der EU noch der Nato, und aus Respekt vor den russischen Sorgen sollte das auch so bleiben! Ich bin definitiv für den Weg der Diplomatie, denn alles andere wäre ein Desaster für die Menschen in der Region dort und auch in ganz Europa!“
Mathias Knauer

In dieser Woche diskutiert der Bundestag über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Ob das eine sinnvolle Maßnahme wäre, darüber debattierte zuletzt auch die Handelsblatt-Leserschaft.

Wenn auch Sie sich im Forum zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns einen Kommentar zu dem Wirtschaftsthema, das Sie diese Woche am meisten beschäftigt. Per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt