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Morning BriefingEin schwarzer Tag für die Vatikan-Auguren

Christian Rickens 09.05.2025 - 06:08 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

We are pope, bro: Der Amerikaner, der alle überrascht hat

09.05.2025
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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

der US-Amerikaner Robert Prevost ist neuer Papst. „Hoffentlich fängt er nicht an, Zoll auf die Beichte zu erheben“, schrieb mir spontan ein Bekannter aus Mexiko.

Damit ist nicht zu rechnen, denn der Neue gilt als Vermittler und gemäßigter Reformer. Der 69-jährige Prevost, bis 2023 Bischof des peruanischen Bistums Chiclayo und danach Kurienkardinal in Rom, wird als Papst den Namen Leo XIV. annehmen. Er ist tatsächlich der erste US-Amerikaner auf dem Heiligen Stuhl. Und das, obwohl in den USA fast viermal so viele Katholiken leben wie in Deutschland.

Kardinal Robert Prevost ist jetzt Leo XIV. – und damit der erste US-Amerikaner, der der katholischen Kirche vorsteht. Foto: AP

Prevost vereint amerikanische Herkunft, lateinamerikanische Prägung und römische Führungserfahrung – der geborene Konsenskandidat. In Chicago aufgewachsen, war Provost ab Mitte der 1980er Jahre lange als Missionar in Peru tätig und wurde dort 2015 zum Bischof ernannt. Neben der US-amerikanischen hat Prevost auch die peruanische Staatsangehörigkeit.

2023 folgte der Aufstieg zum Leiter der mächtigen Vatikanbehörde, die weltweit Bischöfe auswählt. Im selben Jahr erhielt Prevost den Kardinalstitel. Er hat sich wie Franziskus wiederholt für entschiedenes Handeln gegen den Klimawandel ausgesprochen. Gleichzeitig lehnt er manche Reformen ab, zum Beispiel die Weihe von Frauen für kirchliche Ämter.

In vieler Hinsicht erscheint Prevost wie die jüngere Ausgabe seines Vorgängers – und widerlegt damit all jene, die einen konservativen Hardliner als Nachfolger erwartet hatten. Auf den einschlägigen Favoritenlisten tauchte Prevost nicht auf. Für die vielen Kardinäle wiederum, die als wahrscheinlichere Wahl galten, bewahrheitet sich die alte Konklave-Klausel: Wer als Favorit hineingeht, kommt als Kardinal heraus.

Papst Leo XIV. ist das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. Foto: AP

Wege aus der Dauerstagnation

Deutschland erlebt gerade das dritte Stagnationsjahr in Folge, seit 2020 hat Deutschland kein echtes Wachstum mehr gesehen. Weitere vier Jahre Stillstand, und es erscheint denkbar, dass es bei der nächsten Bundestagswahl keine Regierungsmehrheit jenseits der AfD mehr geben wird.

Ifo-Ökonomen haben untersucht, inwieweit ökonomische Faktoren mitverantwortlich sind für den Wahlerfolg rechtsextremer Parteien. Ihr Ergebnis: Je mehr Menschen in einer Region unter Armutsgefährdung und wirtschaftlicher Benachteiligung leiden, desto weniger glauben sie daran, dass sich im bestehenden System die Situation ändern lässt. Und desto weniger zufrieden sind sie mit der Demokratie. Das beschreibe „insbesondere den Erfolg der AfD“.

Insofern gab es seit der ersten Regierung Adenauers im Jahr 1949 wahrscheinlich keine Bundesregierung mehr, die so entscheidend sein dürfte für die Zukunft der Republik wie die aktuelle.

Ob entscheidend im Guten oder im Schlechten wird sich vor allem daran bemessen, ob es der Bundesregierung gelingt, ein zentrales Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen: Das Potenzialwachstum, also die langfristige Wachstumsmöglichkeit der deutschen Volkswirtschaft, auf deutlich über ein Prozent anzuheben. Das klingt nicht viel, entspricht aber gegenüber den derzeitigen Schätzungen für die kommenden Jahre einer Verdrei- bis Vervierfachung.

Drei Faktoren bestimmen das Potenzialwachstum: Arbeit, Kapital und Produktivitätsfortschritt. Und bei allen Dreien gibt es in Deutschland „Themen“, wie man ja neuerdings sagt, wenn man nicht von Problemen sprechen will:

    Bei der Arbeit schlägt nun endgültig der demographische Wandel durch, die Zahl der Erwerbstätigen beginnt zu sinken.Steigende Produktivität durch technischen Fortschritt oder effizientere Abläufe trägt nur noch 0,1 Prozent zum Potenzialwachstum bei.Und beim Kapital ist die Höhe der Nettoanlageinvestitionen in Deutschland innerhalb der letzten 30 Jahre von über sieben Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) auf 0,3 Prozent im Jahr 2024 gesunken.

Die gute Nachricht: Keines dieser Probleme ist unlösbar. Wenn die Regierung alle Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag umsetzt, könnte sich dadurch laut einer Schätzung des Thinktank „Dezernat Zukunft“ das Potenzialwachstum um 0,4 Prozentpunkte erhöhen. Insgesamt läge Deutschland dann je nach Messmethode bei 0,7 bis 0,9 Prozent pro Jahr. Immer noch weniger als versprochen, aber vielleicht ja ein Ansporn für die Bundesregierung, noch eine Reformschippe draufzulegen? Wie das funktionieren kann, zeigt unser Titel-Report „So kommt Deutschland aus der Stagnation“.

Joschka Fischer über Deutschlands Führungsrolle

Mehr Wachstum wird Deutschland nicht nur brauchen, um das Vertrauen in die Demokratie wieder zu stärken. Sondern auch, weil außenpolitisch größere und damit teurere Aufgaben auf Deutschland zukommen. Der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer beschwört die neue Bundesregierung im Handelsblatt-Interview geradezu, in Europa eine Führungsrolle zu übernehmen:

Das heißt, dass wir unsere Stärke auch im Interesse unserer Partner einsetzen. Dazu gehört ein enges deutsch-französisches Verhältnis.

Und mal ehrlich: Wir Deutschen werden in der EU weniger ob unseres perlenden Humors und unserer Kochkünste geschätzt als wegen unserer Finanzkraft. Eine Führungsrolle bedeutet in der Politik eben auch, mit Geld einzuspringen, wenn andere es nicht aufbringen können oder wollen. Das dürfte sich zum Beispiel in der gestern von Merz avisierten deutsch-französischen Verteidigungsallianz zeigen. Umsonst werden uns die Franzosen sicher nicht unter ihren Atomschirm schlüpfen lassen.

Das vollständige Interview mit Joschka Fischer lesen Sie hier:

Joschka Fischer: Der ehemalige Grünen-Politiker sieht „das Ende des Westens“ durch die Wiederwahl Trumps bereits besiegelt. Foto: Tim Wegner/laif

Merz lädt Trump nach Deutschland ein

Bundeskanzler Friedrich Merz hat am Donnerstagabend erstmals mit Donald Trump telefoniert. Merz lud den US-Präsidenten in dem etwa 30-minütigen Gespräch nach Deutschland ein. Trump habe signalisiert, dass er sich einen solchen Besuch vorstellen könne, hieß es aus Regierungskreisen. Trump war als Präsident – abgesehen von Zwischenstopps auf dem US-Stützpunkt Ramstein – bisher nur zum G20-Gipfel 2017 in Deutschland.

Trump lud Merz seinerseits nach Washington ein. Der Kanzler hat bereits öffentlich erklärt, dass er gerne noch vor den Gipfeln der G7 und der Nato im Juni in die USA reisen wolle, also innerhalb der nächsten sechs Wochen.

Den größten Teil des Gesprächs nahm das Thema Ukraine ein. Beide hätten eine enge Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Beendigung des russischen Angriffskriegs vereinbart, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Russland müsse nun einem Waffenstillstand zustimmen, um Raum für Verhandlungen zu schaffen. Trump habe gesagt, dass er die europäischen Friedensbemühungen unterstützen wolle.

Donald Trump (links) und Friedrich Merz telefonierten am Donnerstag zum ersten Mal miteinander. Foto: AP, Imago

Putin und Xi feiern Sieg über Hitler-Deutschland

Für Russland endete der Zweite Weltkrieg erst am 9. Mai 1945 – Schuld haben die zwei Stunden Zeitverschiebung zwischen Berlin und Moskau. Dort, in Moskau, findet heute die wohl größte Gedenkveranstaltung zum Kriegsende statt: Wladimir Putin, der so ziemlich alle Kriterien eines faschistischen Führers erfüllt, und Xi Jinping, der mächtigste Kommunist der Welt, feiern gemeinsam den sowjetischen Sieg über Nazi-Deutschland. Und Putin stellt den Krieg gegen die Ukraine bewusst als Fortsetzung des Kriegs gegen den Nationalsozialismus dar. Unser Chefautor Jens Münchrath hat sich Gedanken gemacht, was dieses ideologische Vexierspiel für Deutschland bedeutet.

Nie spiegelte sich die zeitgenössische Dialektik wider wie an diesem 80. Jahrestag des Siegs der Alliierten über Hitlerdeutschland, schreibt Jens Münchrath. Foto: AP (3), Reuters, Getty Images (M)

Nie spiegelte sich die zeitgenössische Dialektik wider wie an diesem 80. Jahrestag des Siegs der Alliierten über Hitlerdeutschland, schreibt Jens Münchrath. Foto: AP (3), Reuters, Getty Images [M]

Igel-Melder gesucht

Zum Abschluss ein deutlich leichteres Thema, es sei denn Sie sind ein Igel: Laut Naturschutzverbänden gehen die Igel-Bestände in Deutschland seit Jahren zurück. Um die Tiere besser schützen zu können, wollen Experten mehr über deren Verbreitung und Verhalten erfahren. Vom 16. bis 26. Mai sollen die Bürger deshalb wieder bundesweit Igelsichtungen übers Internet melden.

Igel in den Händen einer Mitarbeiterin der Igelhilfe Radebeul. Foto: (Foto: picture alliance/dpa | Robert Michael)

Jetzt in der Paarungszeit seien Igel besonders aktiv und gut zu beobachten, teilte der bayerische Naturschutzverband LBV dazu mit. Der LBV hatte die Mitmachaktion 2023 gemeinsam mit Partnerverbänden ins Leben gerufen.

Meine Vermutung: Gehen die Igelbestände womöglich deshalb zurück, weil sich die Tiere seit 2023 bei ihren bestimmt nicht einfachen Paarungsversuchen ständig beobachtet fühlen?

Ich wünsche Ihnen einen ungestörten Wochenausklang,

Verwandte Themen Deutschland Donald Trump Friedrich Merz Wladimir Putin Xi Jinping USA

Herzliche Grüße,

Ihr

Christian Rickens

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