Morning Briefing: Faeser für Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien



Schranke: Faeser für Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die steigenden Flüchtlingszahlen lassen an vielen Grenzen des Schengen-Raums die Schlagbäume runtergehen. Auch an den deutschen Grenzen zu Tschechien und Polen sind laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun stationäre Kontrollen geplant. Diese werde es zusätzlich zur Schleierfahndung geben, sagte Faeser am Montagabend bei einer Diskussionsrunde in Frankfurt.
Bereits seit Herbst 2015 existieren solche stationären Grenzkontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich – offiziell noch immer vorübergehend. Für andere Grenzabschnitte hat Faeser sie bislang für nicht sinnvoll erachtet.
Die Fakten: Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl – ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zudem beherbergt Deutschland derzeit über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die kein Asylverfahren durchlaufen müssen.
In einer gesellschaftlichen Stimmung, in der die Flüchtlingszahlen und die Umfragewerte der AfD wie in kommunizierenden Röhren zu steigen scheinen, haben es Vorschläge schwer, die nicht auf mehr Abschottung setzen. Ein solcher kam gestern vom Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour. Um den „Integrationsmotor Arbeitsmarkt anzuwerfen“, sollten Flüchtlinge leichter die Möglichkeiten erhalten, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration zu wechseln: „Spurwechsel – das ist das Gebot der Stunde.“

Innenministerin Nancy Faeser will mehr Grenzschutz an der deutsch-polnischen Grenze.
Nouripour spricht damit drei Wahrheiten an:
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Fahrplan für den grünen Umbau des Landes bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2027 vorgestellt. Bis dahin sollen in Frankreich eine Million Elektroautos pro Jahr gebaut werden. Macron will auch eine eigene Produktion von Wärmepumpen schaffen, jährliches Ziel: ebenfalls eine Million Stück. Bei der Energieversorgung soll das Land in den nächsten vier Jahren komplett aus der Kohle aussteigen.

Die „ökologische Wirtschaftsplanung“ fügt sich auch in Macrons Vision einer Reindustrialisierung Frankreichs und eines zunehmend harten Wettbewerbs mit China und den USA ein.
Greenbacks fürs Greenwashing: Laut US-Börsenaufsicht SEC hat die Fondsgesellschaft DWS die Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Anlageentscheidungen mit „erheblich irreführenden Aussagen“ übertrieben positiv dargestellt. Die Deutsche-Bank-Tochter muss dafür eine Geldbuße von 19 Millionen US-Dollar zahlen. Da DWS zudem sechs Millionen Dollar für zu schwache Geldwäschekontrollen erhielt, beträgt die Gesamtstrafe 25 Millionen Dollar.
Auslöser waren Vorwürfe der ehemaligen DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler. Sie hatte ihrem früheren Arbeitgeber 2021 vorgeworfen, sich in Bezug auf nachhaltige Investments deutlich engagierter präsentiert zu haben als es in der Realität der Fall war.
Die Greenwashing-Affäre hat den damaligen DWS-Chef Asoka Wöhrmann bereits den Job gekostet. Dennoch versuchte ein DWS-Sprecher die Strafe gestern zu einem Freispruch zweiter Klasse umzudeuten. Die Börsenaufsicht habe „keinerlei falsche Angaben in Bezug auf unsere Finanzveröffentlichungen oder die Offenlegungen in unseren Fondsprospekten festgestellt.“
Ich hätte da eine alternative Kommunikationsstrategie: Wie wäre es mit einer aufrichtigen Bitte um Entschuldigung von DWS und Deutscher Bank fürs Hinter-die-Fichte-Führen der eigenen Kundinnen und Kunden? Verbunden mit dem Versprechen, in Sachen ESG künftig so transparent zu sein wie niemand sonst in der Branche.

Die Geldbuße der US-Börsenaufsicht ist die erste Strafe für den Vermögensverwalter in der Greenwashing-Affäre.
Ein glaubwürdiges Nachhaltigkeits-Screening könnte ein wichtiges Argument sein, um überhaupt noch in aktiv gemanagte Investmentfonds zu investieren, wie sie DWS anbietet. Denn systematisch mehr Rendite als passive, börsengehandelte Fonds (ETF), die automatisch einen Aktienindex nachbilden, bietet die aktive Variante in der Regel nicht – dafür aber höhere Kosten.
Nerven kostet derzeit allerdings auch die passive Alternative. Der MSCI World, der beliebteste Index bei ETF-Kunden, hat seit seinem Jahreshoch Ende Juli knapp sechs Prozent verloren. Hauptgrund: In dem Index steckt viel weniger Welt als der Name suggeriert. Der MSCI World besteht zu rund 70 Prozent aus US-amerikanischen Aktien. Und innerhalb dieser Gruppe dominieren wiederum Tech-Konzerne, allen voran Apple. Die US-Börsen laufen aktuell vergleichsweise schlecht, obendrein entwickelte sich die Apple-Aktie zuletzt schlechter als der Markt.
Das Handelsblatt hat ausgewertet, ob es eine bessere Alternative zum MSCI World gibt, um sich die gesamte Welt per Index ins Depot zu holen. Wie unsere Grafik zeigt, ließe sich zum Beispiel der Anteil der neun größten Positionen verringern, würde ein Index gewählt, in dem alle Staaten gemäß ihrer Wirtschaftsleistung vertreten sind („GDP Weighted“).
Der Vergleich über zehn Jahre zeigt allerdings auch: Der MSCI World hat mit durchschnittlich 9,9 Prozent Jahresrendite alle anderen Indizes hinter sich gelassen. Solange man also nicht an den unmittelbar bevorstehenden Untergang des amerikanischen Imperiums glaubt, spricht vieles dafür, beim MSCI World zu bleiben und die Schwächephase einfach auszusitzen.
Unkompliziert die eigene Stromrechnung senken und zugleich etwas für den Klimaschutz tun: Viele Bundesländer und auch Kommunen bezuschussen derzeit den Kauf von sogenannten Balkonkraftwerken. Das sind Solarpaneele, die meist zwischen einigen hundert und 1000 Euro kosten und sich ohne viel Installationsaufwand betreiben lassen.
Maximal gibt es dafür derzeit 500 Euro staatlichen Zuschuss. Aber die Regeln sind je nach Bundesland und teilweise sogar von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Meine Kollegin Julia Rieder lotst Sie in ihrem Artikel durch den Drahtverhau der Ökostromsubventionen. Und dann heißt es: Balkonkraftwerk kaufen, Stecker rein – und fortan kann Ihnen die Kursentwicklung von Apple ein klein bisschen gleichgültiger sein.
Aber nicht, dass Sie dann aufhören, das Handelsblatt zu lesen!
Herzliche Grüße






Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
PS: Laut einer aktuellen Umfrage erwägt fast jeder vierte befragte Nachfolger, das eigene Familienunternehmen zu verkaufen. Uns interessiert Ihre Meinung: Können Sie diese Entwicklung nachvollziehen? Was bedeutet das für den Standort Deutschland? Müsste sich etwas ändern? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in fünf Sätzen an forum@handelsblatt.com. Ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung am Donnerstag gedruckt und online.





