Morning Briefing plus: Was aus dem Attentat folgt
Liebe Leserinnen und Leser
herzlich willkommen zurück zu unserem Blick auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche, die für unsere Redaktion mit einer Eilmeldung begann: „Trump während Kundgebung angeschossen – Secret Service bringt Ex-Präsidenten in Sicherheit.“
Der Herausforderer von Joe Biden war gerade von Sicherheitsleuten von der Bühne geführt worden, Blut im Gesicht, die Faust in die Luft gereckt. Binnen Minuten war ein ganzes Team von Reporterinnen des Handelsblatts an der Sache dran. Wie unser weltumspannendes Netz aus Journalisten in solchen Situationen zusammenarbeitet, lesen Sie diese Woche in meiner Kolumne.
Seitdem steigen die Chancen Trumps von Tag zu Tag, die Kandidatur Joe Bidens dagegen steht vor dem Aus.
Während die Republikaner feiern, können es die anderen kaum fassen. Washington-Korrespondentin Annett Meiritz, die in den vergangenen Tagen fast rund um die Uhr gearbeitet hat, erzählte mir gerade, dass eine wachsende Zahl von Menschen in ihrem Bekanntenkreis keine Nachrichten mehr lesen, „sie flüchten sich vermehrt in den Dreiklang aus Netflix, Büchern, Familie."
Ihr Fazit der Woche: „Bidens Gesundheitszustand? Entscheidende Puzzlestücke hält das Weiße Haus zurück. Das Attentat auf Trump? Wie aus einem schlechten Film. Ein weltweiter Ground Stop der Airlines Stunden nach der Trump-Krönung – was für ein Timing!"
Derweil wagen sich selbst im liberalen Silicon Valley immer mehr Unterstützer Trumps aus der Deckung. Dass sogar Marc Andreessen den Republikaner unterstützt, bewegt dort viele, immerhin hat sich der weltbekannte Investor stets für demokratische Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen. „Vor ein paar Monaten wäre jeder nach so einem Schritt als Radikaler gebrandmarkt worden“, schrieb mir mein Kollege Philipp Alvares de Souza Soares, der seit einigen Wochen für das Handelsblatt aus dem Silicon Valley berichtet.
Und Europa? Auf den alten Kontinent kommen nicht zuletzt wegen Trumps Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, J. D. Vance, harte Zeiten zu. Immerhin bereiten sich Berlin und Brüssel mittlerweile auf eine neue Präsidentschaft Donald Trumps vor. Das zeigen die Recherchen für unsere lesenswerte Titelgeschichte zum Wochenende.
Zurück zu meiner Kollegin Annett Meiritz, die am Freitag vom Nominierungsparteitag der Republikaner nach Washington reiste. Auf dem Flughafen von Milwaukee traf sie eine Kollegin, die ihr den guten Rat gab: „Schlaf lieber kurz auf deinem Rückflug nach Washington … wer weiß, ob Biden noch Kandidat ist, wenn wir landen.“ In der Tat. Das würde die nächste Nachtschicht für das US-Team bedeuten.
Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:
1. Mein Kollege Julian Olk hat in den vergangenen Monaten nur wenige andere Menschen so oft getroffen wie Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er begleitete den Vizekanzler auf Reisen, besuchte mit ihm seine alte Heimat und beobachtete ihn bei zahlreichen Veranstaltungen. Das Ergebnis ist ein sehr differenziertes Porträt eines Mannes, der angetreten war, Milieus zu überwinden und das Land zu einen, der stattdessen die Nation spaltet wie kaum ein anderer. Wenn Sie dieses Wochenende nur noch Zeit für einen Text haben, dann lesen Sie den.
2. Diese Zahlen dürften für Diskussionen sorgen: Obwohl die EU offiziell versucht, sich von russischem Gas unabhängig zu machen, steigen die Gasimporte aus Russland wieder deutlich an. Im Mai 2024 importierte die EU rund 30 Prozent mehr Gas als im September 2022 – aller Sanktionen zum Trotz. Die fatale Folge: Wegen des billigen russischen Gases rechnen sich geplante LNG-Terminals nicht mehr und werden gestrichen.
3. Von wegen abgehängt: In der deutschen Autoindustrie zeichnet sich eine spektakuläre Innovation ab. Das Münchener Start-up Deep Drive und BMW treiben gemeinsam die Entwicklung sogenannter Radnabenmotoren voran. Genau, das sind Motoren, die nicht mehr über der Achse platziert werden, sie sitzen direkt im Rad, wie bei Elektrorädern. Weil mit der Technik viele Teile herkömmlicher Antriebe überflüssig wären, würden Autos leichter und es gäbe mehr Platz für Batterien. Eine Kleinserienproduktion plant BMW schon ab 2026.
4. Das Interview mit dem mächtigsten Banker der Welt war ein wohltuender Kontrapunkt im allgemeinen Untergangsgerede, das immer noch die Debatten beherrscht. JP-Morgan-Chef Jamie Dimon lobt im Gespräch mit Andreas Kröner und Hannah Krolle die deutsche Wirtschaft in höchsten Tönen:
5. Wie erkennt man eigentlich gute Führungskräfte? Und was macht erfolgreiche Teams aus? Einer der mächtigsten Aufsichtsräte Deutschlands hat da eine klare Meinung: „Du hast ein gutes Team, wenn du das Sägen an deinem Stuhl hörst“, sagt Bayer-Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann im Interview mit dem Handelsblatt. Aber er sagt auch noch viel mehr. Das höchst interessante Interview können Sie nicht nur lesen, wir haben es im Rahmen unserer Management Summer School auch als Video veröffentlicht.
6. Hat das deutsche KI-Vorzeige-Start-up Aleph Alpha zu viel versprochen? Kürzlich feierte Wirtschaftsminister Robert Habeck das Unternehmen noch als „wahnsinnige Erfolgsgeschichte". Nun aber wachsen die Zweifel. Welche Optionen bleiben der jungen Firma? Genau der Frage ist unser KI-Team nachgegangen.
7. Er ist wahrscheinlich der bekannteste KI-Kritiker des Silicon Valley. Immer wieder warnt er vor überzogenen Erwartungen an die Technik. Besonders kritisch sieht er den Chatbot ChatGPT. Im Interview mit Felix Holtermann weist Gary Marcus darauf hin, „dass die Fortschritte in der KI-Entwicklung zuletzt immer kleiner geworden sind". OpenAI sei auf dem Holzweg. Aber vor allem glaubt er, dass KI die Sache nicht effizienter macht, sondern dümmer. Und dafür hat er ziemlich gute Argumente.
8. Ein Haus oder alles auf Aktien? Mein Kollege Markus Hinterberger ist der Frage nachgegangen, welche Anlageform nach 40 Jahren reicher macht. Eins voran: Die Antwort ist möglicherweise ganz anders, als viele denken.
9. Sind Sie noch auf der Suche nach einer Urlaubslektüre für den Sommer? Unsere Redaktion hat Ihnen zehn Empfehlungen für Reisen in andere Welten zusammengestellt.
Einige davon habe ich selbst eingepackt. Denn ich verabschiede mich mit diesem Briefing für drei Wochen in den Frankreichurlaub.
Ich wünsche Ihnen ein sonniges Wochenende!
Herzlich,
Ihr
Sebastian Matthes